Der Pfeil der Rache
die Franzosen einfallen, werte Dame. Es heißt, sie hätten mehr als zweihundert Schiffe.«
Hobbey schüttelte den Kopf. »Das sind doch nur Gerüchte. Hundert, zweihundert. Was für ein Getöse. Dreitausend Männer wurden in North Hampshire rekrutiert und nach Portsmouth gesandt. Das Dorf Hoyland ist von der Rekrutierung ausgenommen, so wie alle Dörfer entlang der Küste; ihre Bewohner sind in Bürgerwehren organisiert und bereit, den Franzosen entgegenzuziehen, sobald die Leuchtfeuer brennen. Ich durfte unseren Schultheiß auf einer Truppenschau begleiten. Auch wenn einige Rüpel unter den Dorfburschen sind, so sind sie doch kräftige Kerle, die gute Kämpfer abgeben werden.« Hobbeys Miene wurde überheblich. »Als Gutsherr habe ich die Pflicht, sie mit Rüstungen auszustatten. Zum Glück hatten die Nonnen alte Spieße und Wappenröcke im Zeughaus liegen, um ihren Feudalpflichten nachzukommen, sogar ein paar rostige Helme waren darunter.«
Einen Moment lang herrschte Schweigen am Tisch. Dann blickte Hobbey mich an, und seine Augen glitzerten im Kerzenlicht. »Wie ich höre, seid Ihr persönlich mit der Königin bekannt, Master Shardlake.«
»O ja, eine außerordentliche Ehre«, antwortete ich vorsichtig. »Ich wurde Ihrer Majestät vorgestellt, als sie noch Lady Latimer hieß.«
Hobbey breitete kaltlächelnd die Arme aus. »Ich verfüge leider nicht über die Unterstützung einer hochstehenden Persönlichkeit. Ich habe es nur zum Gutsherrn gebracht.«
»Eine Leistung, der Anerkennung gebührt, Sir«, sagte Dyrick. »Und auch Euer vornehmes Haus.«
»Diese kleineren Klöster lassen sich in schöne Wohngebäude umgestalten. Der einzige Nachteil ist, dass dieses hier auch als Pfarrkirche des Dorfes diente, also müssen wir uns sonntags in die Nachbarpfarrei begeben.«
»Mit allen Flegeln aus dem Dorfe«, fügte Abigail säuerlich hinzu.
»Und unser Status verlangt, dass wir jeden Sonntag hingehen«, sagte Hobbey müde. Eines steht fest, dachte ich. Fromm war diese Familie nicht.
»Wie viele Nonnen haben hier gelebt, Nicholas?«, fragte Dyrick.
»Nur fünf. Dieses Kloster war Teil der Abtei Wherwell, im Westen der Grafschaft. Ich habe ein Bild von der letzten Äbtissin, allerdings in meinem Studierzimmer, ich werde es Euch morgen zeigen.«
»Ihr Gesicht, es war mit dem Nonnenschleier so fest verhüllt«, sagte Abigail schaudernd.
»Ungehorsame Nonnen pflegte man hierherzuschicken«, sagte David. »Solche, denen Mönche an die Schleier gefasst hatten und an manch andere Stellen –«
»Pfui, David, schäme dich –«, sagte sein Vater. Doch er sprach sanft, sah den Sohn nachsichtig an.
»Zuweilen, wenn ich nachts hier sitze, meine ich fast, ein schwaches Echo ihrer Gebete und Psalmen zu hören«, sagte Hugh. »So wie es hier noch immer leicht nach Weihrauch duftet.«
»Sie verdienen unser Mitleid nicht«, sagte Hobbey tonlos. »Sie lebten als Schmarotzer von den Erträgen aus ihren Wäldern.« So wie ihr jetzt, dachte ich.
»Sie könnten heute gute Gewinne erzielen«, sagte Dyrick. »Bei den derzeitigen Holzpreisen.«
»O ja. Die richtige Zeit zum Verkauf von Stämmen. Während der Krieg im Gange ist.«
»Euer Land wird viel Gewinn abwerfen, und Master Hughs ebenso«, bemerkte ich.
Dyrick blickte mich stirnrunzelnd an. »Master Hobbey legt einen hübschen Geldvorrat an für Hugh.«
»Ihr dürft gern meine Kontenbücher einsehen«, sagte Hobbey.
»Ich danke Euch«, entgegnete ich gleichmütig, da ich wusste, dass diese gefälscht sein konnten.
»Für den Tag, an dem ich einundzwanzig werde, ein erwachsener Mann«, sagte Hugh leise und lachte verbittert auf. Abigail seufzte tief. Die Nerven dieser Frau sind zum Zerreißen gespannt, dachte ich.
Hobbey reichte den Wein herum. Dyrick legte die Hand über den Becher. »Ich möchte nichts mehr trinken, danke«, sagte er. »Ich muss bei klarem Verstand bleiben.« Wieder sah er mich vielsagend an.
»Was ist eigentlich mit den Nonnen geschehen?«, fragte ich.
»Sie erhalten gute Pensionen.«
»Die alte Ursula war eine der Klostermägde«, sagte Abigail. »Sie wünscht sich die Nonnen zurück, man sieht es ihr an.«
»Wir brauchten jemanden, der sich im Haus auskennt«, sagte Hobbey, einen unwirschen Beiklang in der Stimme.
»Sie wirft mir unverschämte Blicke zu. Und die übrigen Bediensteten stammen allesamt aus dem Dorf. Sie hassen uns, eines Nachts werden sie uns im Schlaf ermorden.«
»Ach Abigail«, sagte Hobbey. »Das sind doch nur Ängste
Weitere Kostenlose Bücher