Der Pfeil der Rache
Verzug geraten waren. Und am Eigentumsrecht ist nicht zu deuteln! Das Kloster übertrug dem Dorf Hoyland die Wälder vor fast vierhundert Jahren.«
»Ihr habt doch nur Eure armselige englische Übersetzung der Urkunde –«
»Das normannische Gekrakel können wir eben nicht lesen!«, schrie ein anderer, ebenfalls in Hampshire-Mundart.
Wir standen jetzt unmittelbar unter dem Fenster. Zum Glück war über unseren Köpfen das Gesims. Ich blickte mich unbehaglich nach allen Seiten um, da ich befürchtete, von einem der Diener entdeckt zu werden.
Dyrick erwiderte mit Nachdruck: »Diese Übertragungsurkunde bestätigt doch nur, dass das Dorf den Wald nach Belieben nutzen darf.«
»Das Gebiet ist auf der Karte vermerkt, mit eindeutigen Grenzen.«
»Das geschah noch vor dem Schwarzen Tod. Seitdem umfasst Hoyland, wie jedes Dorf in England, weitaus weniger Einwohner. Das Gemeindeland sollte also demnach entsprechend eingeschränkt werden.«
»Ich weiß schon, was Ihr plant«, schrie Ettis zurück. »Ihr wollt unseren gesamten Wald roden, aus dem Verkauf der Stämme mächtig Gewinn schlagen, sodann unsere Äcker und Wiesen an Euch reißen und in Waldland verwandeln. Kein noch so scharfzüngiger Anwalt wird uns unsere Rechte abschwatzen! Wir verklagen Euch, wir ziehen vor den Court of Requests!«
»Dann sputet Euch!«, hörte ich Hobbey gelassen erwidern. »Ich habe meine Holzfäller in das Waldstück geschickt, das Ihr fälschlicherweise als das Eure bezeichnet. Nächste Woche fangen sie an. Wagt es ja nicht, sie an der Arbeit zu hindern!«
»Sie sind gewarnt, schreib es auf, Feaveryear!«, sagte Dyrick. »Für den Fall, dass wir den Schultheiß zu Rate ziehen müssen.«
»Den Ihr ja schon in der Tasche habt«, sagte Ettis bitter.
Dann hörten wir eine Tür aufschlagen und gleich darauf Abigails schrille Stimme. »Schurken, Vagabunden!«, kreischte sie. »Jemand hat auf den Buckligen einen Pfeil abgefeuert, Nicholas. Fulstowe hat es mir soeben erzählt! Ihr gemeines Pack!«
»Einen Pfeil?« Hobbey klang erschrocken. »Was meinst du damit, Abigail?«
»Ich habe Master Shardlake soeben gesehen«, sagte Dyrick. »Er sieht nicht schlechter aus als sonst.«
»Sie haben ihn verfehlt! Dennoch, sie haben auf ihn geschossen!«
Da hörte ich Fulstowes Stimme, der den Lärm offenbar gehört hatte und ins Zimmer gekommen war. »Jemand feuerte auf Shardlake und seinen Gehilfen einen Pfeil ab, während die beiden durch Master Hughs Wald ritten. Sie scheuchten eine Hirschkuh auf, insofern ist anzunehmen, dass es sich um die Warnung eines Raubschützen handelte. Niemand ist zu Schaden gekommen«, fügte er unwirsch hinzu.
»Törichtes Weib, du!« Es war das erste Mal, dass ich hörte, wie Hobbey die Beherrschung verlor. Abigail fing an zu weinen. Ansonsten war es still geworden im Zimmer. Ich nickte, und wir entfernten uns leise.
»Eben wurde es interessant«, sagte Barak.
»Ich hatte Sorge, jemand könne herauskommen und uns entdecken. Wir haben auch genug gehört, wie ich meine.« Ich runzelte die Stirn. »Diese Frau hat eine entsetzliche Angst.«
»Sie ist doch nicht ganz bei Trost.«
»Das lässt sich schwer sagen. Hast du übrigens bemerkt, wie sich die Jungen vorhin von Fulstowe kommandieren ließen? Und nach dem, was wir eben gehört haben, befindet Fulstowe es nicht der Mühe wert, Abigail Respekt zu zollen.«
»Wer ist im Recht, was den Wald betrifft?«, fragte Barak.
»Ich müsste die Übertragungsurkunde sehen. Ist darin von einem fest umrissenen Gebiet die Rede, spricht es für die Dorfleute.«
»Wenn ich während Eurer Abwesenheit ins Dorf gehe, lasse ich die Leute wissen, dass Ihr für den Court of Requests tätig seid. Vielleicht rücken sie dann mit Informationen heraus.«
Ich überlegte. »Ja, sag es ihnen. Geh zu Ettis. Er soll die Klage der Dorfleute zu Papier bringen, dann will ich eine richterliche Verfügung erwirken, sobald ich wieder in London bin. Jedoch nur unter der Bedingung, dass Hobbey nichts davon erfährt.« Ich lächelte. »Ich kann es ihm ja erzählen, bevor wir abreisen.«
»Ihr seid ja ein richtiger Machiavelli geworden, seit Ihr für den Court of Wards unterwegs seid.«
Ich blickte ihn ernsthaft an. »Als Gegenleistung soll Ettis uns alles sagen, was er über Hugh weiß. Irgendetwas geht vor in diesem Hause, wir sehen es nur nicht, mein Wort darauf!«
kapitel einundzwanzig
T ags darauf saß ich um sechs Uhr früh auf meinem Pferd und ritt die Straße nach Portsmouth entlang,
Weitere Kostenlose Bücher