Der Pfeil der Rache
Kriecherisches an.«
»Sollten wir die Kriegskünste nicht pflegen, um uns selbst zu schützen?«, fragte Hugh mit stiller Eindringlichkeit. »Sollen wir den Franzosen gestatten, bei uns einzufallen und uns nach Gutdünken zu traktieren?«
»Nein, aber wir müssen uns fragen, wie es dazu kommen konnte. Wäre der König im vergangenen Jahr nicht in Frankreich eingefallen –«
»Viele hundert Jahre waren die Gascogne und die Normandie unser.« Zum ersten Mal sprach Hugh mit echter Leidenschaft. »Es war unser Geburtsrecht durch die Normannen, ehe ehrgeizige französische Edelleute anfingen, sich Könige zu nennen –«
»König Heinrich würde dasselbe sagen.«
»Er hat recht.«
»Lass das nicht unseren Vater hören«, sagte David. »Du weißt genau, dass er dich nicht zu den Soldaten gehen lässt.« In seiner Stimme lag zu meinem Erstaunen ein flehender Unterton. »Und mit wem sollte ich wohl auf die Jagd gehen, wenn du fort bist?« David wandte sich mir zu. »Heute Morgen waren wir im Wald jagen, und unsere Windhunde erwischten ein halbes Dutzend Hasen. Wobei der meine mehr fing als der deine –«
»Ach, sei doch still«, rief Hugh mit jäher Unduldsamkeit. »Dein endloses Ich-bin-besser-als-Du bringt mich noch um den Verstand!«
David sah gekränkt drein. »Aber der Wettkampf ist doch die Würze des Lebens. In Vaters Geschäft –«
»Sind wir nicht mittlerweile Gentlemen? Wisst Ihr, was ein
hobby
ist, Master Shardlake?«
»Ein Baumfalke«, antwortete ich.
»Tja, der kleinste und bösartigste aller Vögel.«
Davids Augen weiteten sich angesichts der Kränkung. Er schien den Tränen nah.
»Jetzt ist es genug, das gilt für euch beide!«, schalt Fulstowe die Burschen. Zu meinem Erstaunen sprach er mit väterlicher Autorität, und beide waren augenblicklich still.
»Bitte zankt euch nicht«, sagte Feaveryear mit jäher Bewegtheit, und sein Adamsapfel hüpfte auf und ab.« Ihr seid doch Brüder, Christenmenschen –«
Er wurde von einer Stimme unterbrochen, die laut seinen Namen rief. Dyrick kam über den Rasen gestapft. Er sah ärgerlich aus, sein Gesicht war fast so rot wie sein Haar. »Wie kommst du dazu, mit den jungen Burschen Schießübungen zu veranstalten! Und auch du, Barak! Ihr solltet doch in den Räumlichkeiten der Dienstboten bleiben. So befolgt Ihr also die Instruktionen Eures Herrn, Steward?«
Fulstowe antwortete nicht, sondern maß Dyrick mit kaltem Blick. »Die Jungen haben uns eingeladen«, sagte Barak, einen drohenden Unterton in der Stimme.
»Das ist wahr, Sir«, sagte Hugh. »Wir hatten das Bedürfnis nach ein wenig Zerstreuung.«
Dyrick ignorierte die beiden. »Komm mit, Sam! Auf der Stelle! Ettis und ein paar grobe Klötze aus dem Dorf brüllen gerade Master Hobbey im eigenen Studierzimmer nieder. Ich will, dass man ihre Aussagen zu Papier bringt!«
»Sehr wohl, Sir«, antwortete Feaveryear unterwürfig. Dyrick machte kehrt und ging davon. Feaveryear folgte ihm.
»Master David, Master Hugh, wir sollten hineingehen«, sagte Fulstowe. »Außerdem ziemt es sich nicht, vor unseren Gästen zu streiten.« Er blickte Hugh und David an, und ich meinte, eine Art Einvernehmen zwischen den dreien zu bemerken. Sie folgten Dyrick und Feaveryear. Barak ließ prüfend den Blick über das Gebäude schweifen. »Wir könnten einen kleinen Spaziergang machen und unter dem Fenster des Studierzimmers vorbeigehen. Es befindet sich auf der Rückseite des Hauses. Vielleicht erhaschen wir ja ein paar Worte. Seht Ihr, sie haben sämtliche Läden aufgestoßen, um frische Luft ins Innere zu lassen.«
Nach kurzem Zögern nickte ich. »Dieser Fall führt mich auf Abwege«, murmelte ich, als ich ihm hinters Haus folgte, wo ein Streifen Gras bis an die alte Klostermauer heranreichte. Laute Stimmen waren aus Hobbeys Studierzimmer zu hören. Ich erkannte die schnarrende Stimme des Bauern Ettis, dem wir im Dorf begegnet waren. Er schrie: »Ihr wollt uns das Gemeindeland stehlen. Woher sollen die armen Leute dann ihr Brennholz nehmen, woher das Futter für die Schweine?«
»Hütet Eure Zunge, Gevatter!«, hörten wir Dyricks schnarrende Stimme. »Eure bäurischen Manieren erweisen Euch hier einen Bärendienst. Vergesst nicht, dass einige der Kötter ihr Land bereits an Master Hobbey veräußert haben. Auf diese Weise benötigen wir weniger Gemeindeland.«
»Es sind ganze vier gewesen, und diese waren nur zu dem Handel bereit, weil Ihr ihnen mit Enteignung gedroht habt, nachdem sie mit ihrem Zins in
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