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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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schon eine Meile von Hoyland entfernt. Wieder hatte ich mir Oddleg genommen. Er schritt hurtig aus, als freue er sich, wieder auf Wanderschaft zu gehen. Das Wetter war heiter, ein Duft nach taunassem Gras lag in der Luft, die um diese Stunde noch kühl war. Es würde ein heißer Tag werden, und so trug ich ein Wams aus leichtem Zwirn und war dankbar, meine Robe los zu sein. Während des Ritts dachte ich über das Gespräch nach, das ich unmittelbar vor meinem Aufbruch mit Hugh geführt hatte.
    Ich hatte darum gebeten, um fünf geweckt zu werden, und war von einem Klopfen wach geworden. Fulstowe hatte den Kopf zur Tür hereingesteckt: »Wir haben Euch das Morgenbrot bereitet, Sir«, hatte er gesagt und hinzugefügt: »Wie ich höre, wollt Ihr nach Sussex reiten und erst morgen Nachmittag zurückkehren.«
    »Ja, eines anderen Falles wegen. Danke.« Ich hatte es Hobbey gegenüber bereits erwähnt – jedoch kein Wort über Ellen verloren. Nachdem ich aufgestanden war und mich angekleidet hatte, nahm ich Emmas zierliches Kreuzlein sowie Hughs
Toxophilus
vom Nachttisch, trat leise hinaus auf den Flur und begab mich vor Hughs Zimmer. Nach kurzem Zaudern klopfte ich. Ich hatte ihn am Abend zuvor schon aufgesucht, aber entweder war er nicht in seinem Gemach gewesen, oder er hatte nicht reagiert. Endlich hätte ich die seltene Gelegenheit, einmal ungestört mit ihm zu sprechen.
    Diesmal kam er an die Tür, bereits in Hemd und Wams.
    »Verzeiht, dass ich so früh störe«, sagte ich. Aber ich mache mich auf den Weg nach Sussex und wollte Euch das Buch zurückgeben.«
    Er zögerte einen Augenblick, doch dann bat er mich ins Zimmer, wie es die Höflichkeit verlangte.
    Der Raum war mit einem Bett ausgestattet, einer Truhe, einem Tisch und einem Wandbehang in den Tudorfarben, Grün und Weiß. Auf einem Regal oberhalb des Tisches sah ich zu meinem Erstaunen eine Sammlung von etwa zwei Dutzend Büchern. Der Raum roch stark nach Bienenwachs, und Hughs Bogen lehnte an einem Bettpfosten. Ein Behälter mit Wachs und ein Lumpen lagen daneben. »Ich poliere meinen Bogen.« Er lächelte. »Mistress Abigail möchte, dass ich es im Freien tue, doch wer soll es um diese Zeit schon erfahren?«
    »Es ist in der Tat noch früh.«
    »Ich stehe gern vor allen anderen auf und habe ein wenig Zeit für mich, ehe
sie
auf den Beinen sind.« Ich bemerkte eine verächtliche Note in Hughs Stimme und sah ihn forschend an. Er errötete und hielt sich schützend die Hand vor den Hals. Er schämt sich wegen seiner Narben, dachte ich.
    »Ihr habt viele Bücher«, sagte ich. »Darf ich sie ansehen?«
    »Bitte sehr.«
    Seine Sammlung enthielt lateinische und griechische Klassiker, ein Benimmbuch für junge Herren, dazu Ausgaben von
Sir Gawain und der Grüne Ritter
und dem
Buch von der Jagd
, Boordes
Gesundheitsdiät
sowie Thomas Mores
Utopia
. Abgesehen vom Neuen Testament bemerkte ich, was ungewöhnlich war, kein einziges religiöses Buch.
    »Eine hübsche Sammlung«, stellte ich fest. »Wenige Menschen in Eurem Alter verfügen über so viele Bücher.«
    »Einige gehörten meinem Vater, und Master Hobbey besorgte mir welche aus London. Doch seit unser letzter Hauslehrer uns verlassen hat, habe ich niemanden mehr, mit dem ich darüber sprechen könnte.«
    Ich nahm das
Buch von der Jagd
aus dem Regal. »Das klassische Nachschlagewerk zu diesem Thema, nicht wahr?«
    »In der Tat. Ursprünglich entstammt es der Feder eines Franzosen, wurde jedoch vom Herzog von York ins Englische gebracht, ehe er in Azincourt fiel. Wo neuntausend englische Bogenschützen eine riesige französische Armee vernichtend schlugen«, fügte er stolz hinzu. Er setzte sich auf sein Bett.
    »Freut Ihr Euch auf die Jagd nächste Woche?«, fragte ich.
    »Sehr sogar. Es ist erst meine dritte. Wir sind hier nicht sehr gesellig.«
    »Wie ich höre, hat es einige Zeit gedauert, bis die hiesige vornehme Gesellschaft Eure Familie akzeptiert hat.«
    »Es ist nur die Aussicht auf die Jagd, die sie zu uns führt. Zumindest behauptet das Mistress Abigail.« Ich erkannte, wie isoliert Hugh und David hier lebten.
    »Bei der letzten Jagd war ich es, der den Hirsch erlegte«, sagte Hugh stolz.
    »Man sagte mir, Ihr hättet als Belohnung das Herzkreuz erhalten und würdet es stets um den Hals tragen.«
    Seine Hand wanderte wieder zum Hals. Seine Augen wurden schmal. »Wer hat es Euch erzählt?«
    »Master Avery.«
    »Ihr habt ihn über mich ausgefragt?«
    »Hugh, ich bin doch nur Euretwegen hier, aus Sorge

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