Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
Vom Netzwerk:
Feldweg erwartet, aber die Straße nach Sussex war in gutem Zustand. Ich war etwa eine Meile geritten, als mir Brandgeruch in die Nase stieg und ich mich an die Kohlenbrenner auf unserem Weg in den Süden erinnerte. Zu meiner Rechten führte zwischen hohen Böschungen ein breiter Pfad in den Wald. Neugierig geworden, lenkte ich das Pferd auf den Pfad.
    Nach einigen hundert Schritten gelangte ich auf eine Lichtung, auf der ein großer, wie ein Bienenstock geformter Lehmbau stand, über mannshoch, mit einer Öffnung oben, aus welcher der Rauch aufstieg. Reisig war ringsum aufgeschichtet. Zwei junge Männer, die auf einem Erdhügel saßen, erhoben sich, als ich auftauchte.
    »Kohlenbrenner?«, fragte ich.
    »Jawohl, Sir«, antwortete der eine. Beide hatten von der Arbeit rußgeschwärzte Gesichter. »Wir arbeiten eigentlich nicht im Sommer, aber die Nachfrage nach Holzkohle ist derzeit enorm groß, für die Eisenwerke.«
    »Dort werden ja mittlerweile auch Kanonen gegossen, wie ich höre.«
    »Drüben im Osten, Sir. Aber es gibt auch für die kleinen Gießereien im westlichen Sussex genug zu tun.«
    »Aus dem Krieg lässt sich viel Profit herausschlagen«, fügte sein Freund hinzu. »Wenn wir auch wenig davon zu sehen kriegen.«
    »Ich bin auf dem Weg nach Rolfswood. Dort stand einmal ein Eisenwerk, doch es ist abgebrannt.«
    »Muss schon eine Weile her sein. Heute wird dort kein Eisen mehr gewonnen.« Nach kurzer Pause fragte der Mann: »Wie wär’s mit einem Becher Bier?«
    »Danke, aber ich muss mich sputen.« Sie blickten enttäuscht drein, und ich dachte, wie einsam die Arbeit hier draußen sein musste, wo einem nur der Kohlenhaufen Gesellschaft leistete.
    * * *
    Es war ungefähr vier Uhr, als ich in Rolfswood eintraf. Der Ort war kleiner als erwartet, bestand aus einer Dorfstraße mit wenigen stattlichen Häusern aus Stein; dahinter gab es nur armselige Hütten. Ein schmaler Pfad führte zu einer Brücke über ein Flüsschen, dann über eine Wiese auf eine alte Kirche zu. An der Hauptstraße entdeckte ich zu meiner Freude ein beachtliches Wirtshaus. Zwei Karren fuhren an mir vorüber, vollbeladen mit frisch geschnittenen Reisern, die einen intensiven Harzgeruch verströmten.
    Ich stieg vor dem Wirtshaus aus dem Sattel und fand ein Zimmer für die Nacht, das recht behaglich war. Danach trat ich in die Stube, um unter den Gästen eventuell Erkundigungen einzuziehen; ich hatte mir eine Geschichte überlegt, die ich erzählen wollte, um meine Neugier zu rechtfertigen.
    Die Stube war leer bis auf einen Greis, der allein auf einer Bank saß. Zu seinen Füßen lag ein großer Spürhund, ein Waldmann. Er hob den schweren Schädel und blickte mich kummervoll an. Ich trat vor den Ausschank und bat die ältere Frau dahinter um ein Bier. Ihr feistes, faltiges Gesicht unter der weißen Haube sah freundlich aus. Ich goss mir das Bier in den Schlund, denn ich hatte entsetzlichen Durst.
    »Kommt Ihr von weit her, Sir?«, fragte sie.
    »Von einem Dorf bei Portsmouth.«
    »Das ist ein langer Tagesritt.« Sie stützte die Ellbogen auf den Tresen. »Gibt es Neuigkeiten? Es heißt, der König kommt.«
    »Das habe ich auch gehört. Aber ich bin nicht in Portsmouth gewesen. Ich bin ein Anwalt aus London und habe jenseits des Portsdown Hill eine rechtliche Angelegenheit zu klären.«
    »Und was führt Euch nach Rolfswood?«
    »Ein Freund in London meint, er habe hier noch Verwandte. Ich versprach ihm, herzukommen und mich nach ihnen zu erkundigen.«
    Sie sah mich neugierig an. »Ein guter Freund, wenn Ihr eine so weite Reise für ihn unternehmt.«
    »Der Name seiner Verwandten lautet Fettiplace. Eine alte Tante meines Freundes meinte, die Leute würden hier ein Eisenwerk betreiben.«
    »Schon lange nicht mehr, Sir«, sagte sie freundlich. »Die Gießerei ist vor fast zwanzig Jahren abgebrannt. Master Fettiplace und einer der Tagelöhner kamen dabei ums Leben.«
    Ich gab mich erstaunt, als hörte ich die Nachricht zum ersten Mal, und sagte dann: »Hatte er Angehörige?«
    »Er war Witwer und hatte eine Tochter. Ihre Geschichte ist noch trauriger. Das Feuer brachte sie um den Verstand. Sie brachten sie fort, angeblich nach London.«
    »Wenn mein Freund das gewusst hätte! Er hat erst vor kurzem erfahren, dass er möglicherweise Verwandte in Sussex hat.«
    »Ihr Haus und das Stück Land, auf dem die Gießerei stand, wurden an Master Buttress verkauft, unseren Müller. Sein Haus steht an der Hauptstraße, Ihr seid daran vorbeigeritten. Man

Weitere Kostenlose Bücher