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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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erkennt es an den kunstvollen Tierschnitzereien an den Türpfosten.«
    Verkauft?, dachte ich. Von wem? Von Rechts wegen hätte das Haus an Ellen gehen müssen. »Sonst gibt es niemanden namens Fettiplace hier vor Ort?«
    »Nein, Sir. Master Fettiplace stammte aus dem Norden der Grafschaft. Er kam hierher, um die Gießerei zu errichten.« Sie lehnte sich aus der Luke und rief dem Alten zu: »Dieser Gentleman hier fragt nach der Fettiplace-Eisenhütte, Wilf.« Er blickte auf. Die Kellnerin raunte mir zu: »Wilf Harrydance hat dort gearbeitet. Er ist ein armer alter Zausel, gebt ihm einen aus, und er sagt Euch alles, was er weiß.«
    Ich nickte lächelnd. »Ich danke Euch. Dann holt uns noch zwei Bier, wenn’s recht ist.«
    Ich nahm die Becher entgegen und stellte einen davon dem Alten hin. Er bedankte sich und musterte mich neugierig. Er war schon hochbetagt, hatte einen alten Rock am Leibe und war kahl bis auf ein paar graue Zotteln. Sein sonnengegerbtes Gesicht war zerfurcht, seine blauen Augen aber blickten blitzgescheit und funkelten vor Wissbegierde. Der Hund wedelte mit dem Schwanz, um ein paar Bissen zu erhaschen.
    »Ihr wollt die Geschichte der Familie Fettiplace hören, Sir?« Er winkte ab. »Ich hab alles gehört, was Ihr der Gevatterin Bell erzählt habt. Ich bin vielleicht alt, aber meine Ohren sind tadellos.«
    »Wenn Ihr so gut sein wollt. Mein Name ist Master Shardlake. Ihr habt in der Eisenhütte gearbeitet?«
    »Ich hatte schon zehn Jahre für Master Fettiplace gearbeitet, als das Feuer ausbrach. Er war kein übler Brotherr.« Er schwieg einen Moment, um nachzudenken. »Die Arbeit war schwer. Wir mussten das Erz und die Holzkohle in den Ofen werfen, dann den Fortschritt der Schmelze durch den Rauchfang prüfen – Herrjesus, wenn man hineinspähte, schmolz einem die Hitze fast die Augäpfel fort. Dann galt es, den Klumpen geschmolzenen Eisens abzukratzen –«
    Ich hörte im Geist Ellens Stimme: »Er hat gebrannt! Der Ärmste, er brannte lichterloh!« Wilf hatte stirnrunzelnd im Satz innegehalten, da er meine Zerstreutheit bemerkte. »Es tut mir leid«, sagte ich. »Bitte sprecht weiter. Was für eine Art von Eisenhütte war das? Ein Rennwerk?«
    Er nickte. »Das Werk war klein, obwohl der Blasebalg für den Ofen mit Wasserkraft betrieben wurde. Master Fettiplace war als junger Mann nach Rolfswood gekommen, er hatte schon drüben im Osten von Sussex im Eisenhandel ein wenig Geld verdient. Es findet sich Eisenerz hier bei uns, nur ein kleines Vorkommen, denn wir sind am westlichen Rand des Weald. Master Fettiplace erstand ein Stück Wald, auf dem Holzkohle gewonnen wurde. Auch ein Fluss führt hier durch, also verwendete er sein Geld, um den Fluss aufzustauen, für den Mühlbach, und um die Eisenhütte zu errichten. Das Wasser treibt das Mühlrad, welches wiederum den Blasebalg betätigt, versteht Ihr das?«
    »Ja.«
    »Das Eisenerz wird hergebracht, in unserem Fall von dem Abbaugebiet ein wenig flussaufwärts, und mitsamt der Holzkohle in den Ofen gekippt. Das Eisen schmilzt aus dem Erz heraus und rinnt zu Boden. Verstanden?«, fragte er wie ein Schulmeister.
    »Ich glaube schon. Noch ein Bier?«
    Er nickte feierlich. »Vielen Dank.«
    Ich holte zwei weitere Becher und stellte sie auf den Tisch. »Was war dieser Master Fettiplace für ein Mensch?«
    Wilf schüttelte traurig den Kopf. »William Fettiplace war nicht gerade vom Glück gesegnet. Seine Eisenhütte hier in Rolfswood warf nicht viel ab, denn die Qualität des Erzes war schlecht, und angesichts der Konkurrenz durch die neueren Hochöfen stieg der Preis für die Holzkohle stetig an. Dann starb auch noch seine Frau, der er sehr zugetan gewesen, und ließ ihn mit dem Töchterchen allein. Und er selbst kam im Feuer ums Leben, zusammen mit meinem Kameraden Peter Gratwyck. Bei jenem mysteriösen Feuer.« Wilf sah mich vielsagend an.
    »Mysteriös? Besteht an solcher Stätte nicht immer die Gefahr einer Feuersbrunst?«
    Er schüttelte den Kopf. »Es war Sommer und der Schmelzofen überhaupt nicht in Betrieb.« Er beugte sich zu mir vor. »So war das damals. Das Eisenwerk war eine geschlossene Anlage, von einer hölzernen Wand umgeben. Sie war größtenteils überdacht, nur nicht in der Mitte – hier wurde es sehr heiß, wenn der Ofen in Betrieb war. Innerhalb der Anlage befanden sich auf einer Seite der Ofen und ein großer, von einem Wasserrad betriebener Blasebalg, auf der anderen lagerten Eisenerz, Holzkohle und Baumaterial. Es war ein

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