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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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Snodin ein wenig zur Seite und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Barak und ich gingen zu Carswell und dem jungen Llewellyn hinüber, die beieinanderstanden. »Kühne Worte, Junge«, sagte Barak zu Llewellyn.
    Dieser blickte noch immer zornig drein. »Ich habe die Schnauze voll!«, versetzte er. »Nach dem heutigen Tag – haben wir alle genug.«
    Carswell sah mich an. Das Scherzen war ihm sichtlich vergällt. »Das ist die Wirklichkeit«, sagte er. »Ich ahne jetzt, wie es beim Gefecht zugehen wird. Sobald die
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auf ein französisches Kriegsschiff stößt, zerreißen uns dessen Kanonen, oder man sticht beim Entern mit Piken nach uns. Ich dachte immer, ich sei phantasiebegabt, Master Shardlake, aber so etwas wie dieses Schiff käme mir nie in den Sinn.«
    »Wie groß es ist!«, sagte Llewellyn staunend. »Genauso groß wie unsere Kirche daheim; die Masten sind turmhoch. Wie soll so ein Ding schwimmen? Jedes Mal, wenn das Deck sich neigte, hatte ich Angst, es würde sinken.«
    »Das Stampfen eines Schiffes ist zu Beginn seltsam«, sagte ich, »aber Hauptmann Leacon hat recht, ihr werdet euch daran gewöhnen.«
    »Wir haben auf den oberen Decks das Bogenschießen geübt«, sagte Carswell, »gerieten jedoch bei jedem Ruck aus dem Gleichgewicht. Die Seeleute, diese Malzwürmer, lachten sich schief. Und man tut sich schwer, unter jenem Netz den Bogen zu spannen.«
    Pygeon war zu uns herübergekommen. »Das war gut gesprochen, Tom«, sagte er. »Wir sollen König Heinrich retten, obschon der sich keinen Pfifferling darum schert, ob wir leben oder sterben.«
    Carswell sagte: »Aber wenn die Franzosen gewinnen, dann verfahren sie mit unseren Leuten so wie wir letztes Jahr mit den ihrigen. Es hilft alles nichts, wir müssen kämpfen.«
    Sulyard schrie herüber: »Was heckst du jetzt wieder aus, Pygeon, du papistischer Verräter!«
    »Er müht sich schon den ganzen Tag, allen Mut zusammenzuhalten«, sagte Carswell verächtlich. »Je lauter er schreit, desto größer der Schiss.« Er sah mich an. »Warum seid Ihr noch einmal an diesen verfluchten Ort zurückgekommen, Sir?«
    Plötzlich rief eine sonore Stimme: »Nun, was ist das?« Sir Franklin betrat den Kai – vornehmes Wams, Kragen und Ärmel aus feiner Spitze –, gefolgt vom Rest der Truppe. »Wo ist Leacon?« Leacon ging zu ihm, und Snodin, der grämlich dreinblickte, schlich hinterdrein. Sir Franklin sah die beiden forschend an. »Da seid ihr ja. Alles klar?«
    »Gewiss. Sir Franklin, könnt Ihr die Männer ins Lager führen? Master Shardlake hat mich um einen Gefallen gebeten.«
    »Eine juristische Angelegenheit?« Sir Franklin blickte mich argwöhnisch an. »Ihr hier, Sir? Lasst Euch nicht mit Anwälten ein, Leacon.«
    »Es dauert nicht lange, eine gute Stunde höchstens.«
    Ich sagte: »Ich wäre Euch in der Tat sehr dankbar für Eure Zustimmung, Sir Franklin.«
    Er knurrte. »Nun, bleibt nicht zu lange fort. Kommt, Snodin, Ihr seht ja drein, als hätten Euch die Hühner das Brot gestohlen.«
    »Warte im Wirtshaus auf mich, Jack«, sagte ich zu Barak.
    Er beugte sich zu mir. »Ihr könnt Leacon nicht bitten, Euch zu begleiten. Seine Männer sind ausgesprochen schlecht gelaunt. Sie hätten Snodin ins Wasser geworfen, wenn er sie nicht davon abgehalten hätte.«
    »Er ist einverstanden«, sagte ich schroff.
    »Ihr würdet am liebsten hierbleiben und auch noch Rich herausfordern.«
    »Mag sein, dann wäre die Sache endlich vom Tisch.«
    »Langsam fürchte ich um Euren Verstand.«
    Barak ging davon. Ich trat wieder zu Leacon, der zusah, wie Sir Franklin die Truppe davonführte.
    »Ist alles in Ordnung mit den Männern?«, fragte ich.
    »Ich habe Snodin geraten, langsam zu tun, und gegen Sir Franklin werden sie nicht frech.« Er holte tief Luft. »Also schön. Auf zur
Mary Rose

    * * *
    Der Camber wimmelte von Ruderbooten, die die Nacht über hier vertäut lagen. Wir fanden einen Fährmann, einen stämmigen Burschen in mittleren Jahren, der sich bereit erklärte, uns zur
Mary Rose
hinüberzurudern, dort auszuharren und uns anschließend wieder an Land zu bringen. Wir folgten ihm die glitschigen Stufen hinunter. Musik und Stimmen tönten aus den Schänken in der Oyster Street herüber. Der Mann legte die Riemen in die Dollen und ruderte hinaus aufs Meer, auf die großen Schiffe zu. Hinter ihnen wich der Sonnenuntergang dem blauen Nachthimmel, vor dem der Wald aus Masten sich deutlich abhob.
    Ganz plötzlich tauchten wir in eine Welt der Stille ein, je mehr die

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