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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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verließen das Schiff, ehe endlich Leacon auf der obersten Stufe erschien. Er hatte etwa die halbe Kompanie hinter sich. Wir sahen vertraute Gesichter, darunter: Carswell und Tom Llewellyn, Pygeon und Sulyard. Einige trugen Steppwämser mit eingenähten Metallplättchen, andere Jacken aus Leder oder Wolle, und Pygeon hatte die Brigantine angelegt, die er Sulyard abgeluchst hatte. Snodin bildete die Nachhut, stieg keuchend und schnaufend die Treppe herauf. Wie schon die Soldaten vor ihnen verhielten auch sie sich ungewöhnlich still; selbst Carswell schien an diesem Abend nicht zum Scherzen aufgelegt. Nur der flegelhafte Sulyard war guter Dinge, wieder ganz der alte Prahlhans. Die Männer bildeten auf dem Kai eine abgerissene Reihe, bemerkten uns nicht im Schatten des Lagerhauses. Einer der Männer riss den Helm herunter und kratzte sich am Kopf. »Verfluchte Läuse!«
    »Hör auf zu klagen!«, brüllte Snodin ihn an. Der Spieß war sichtlich schlechter Laune. »Jämmerlicher Wicht.« Etliche Männer vergalten es ihm mit bösen Blicken.
    Ich trat vor und rief Leacon beim Namen. Er wandte sich um, die Soldaten ebenso. Carswells Miene hellte sich ein wenig auf. »Unser Maskottchen! Kommt morgen mit uns an Bord der
Great Harry
, Sir, und bringt uns Glück!« Die anderen Soldaten schienen überrascht, dass ich wieder aufgetaucht war. Ich hörte Sulyard raunen: »Bucklige bringen nur Unglück, das weiß doch ein jeder!«
    »Weggetreten, Männer!«, befahl Leacon. »Wartet dort drüben, bis die Übrigen kommen.« Die Männer wankten müde zu einem offenen Platz zwischen zwei Lagerhäusern, und Leacon kam zu uns herüber und ergriff meine Hand. »Ich dachte, Ihr wäret längst aufgebrochen, Matthew«, sagte er.
    »Morgen.«
    »Morgen kommt der König in die Stadt. Wir Bogenschützen müssen in aller Frühe vor ihm salutieren.«
    »Bis dahin sind wir nicht mehr hier.«
    »Das will ich meinen«, pflichtete Barak mir nachdrücklich bei. »Beim ersten Hahnenschrei brechen wir auf.«
    Leacon blickte hinüber zu seinen Männern, von denen die meisten müde und besorgt dreinschauten. Pygeon warf die Brigantine zu Boden, wo sie scheppernd landete. Sulyard vergalt es ihm mit einem grollenden Blick. Carswell fragte den Feldwebel: »Master Snodin, dürfen wir ins Lager zurückkehren und einen Happen essen?«
    »Richtiges Essen«, sagte ein anderer, »keine Kekse, aus denen man die Käfer klopfen muss!« Zustimmendes Raunen wurde laut.
    Snodin rief: »Wir gehen, sobald die Übrigen mit Sir Franklin hier sind!«
    »War dies heute Euer erster Einsatz auf den Schiffen?«, fragte ich Leacon.
    »O ja. Kein guter Tag.« Ein jeder erschrak und fuhr herum, als ein Donnerschlag die Luft erschütterte. Wieder ein Schuss vom Runden Turm.
    Vom Gosport dröhnte prompt die Antwort.
    »Was soll das?«, fragte ich Leacon.
    »Sie sichern den Hafen, falls die Franzosen sich Zugang verschaffen sollten. Mit diesen Kanonen halten wir sie in Schach, ihre Reichweite beträgt über eine Meile. Doch wenn die Franzosen unsere Flotte draußen auf See besiegen, kann niemand sie daran hindern, anderswo zu landen.«
    »George«, sagte ich, »dürfte ich Euch noch um einen zweiten Gefallen bitten?«
    Er sah mich erwartungsvoll an. »Ja?«
    Ich wies auf die Männer. »Es ist vertraulich.«
    Er seufzte. »Kommt hier herüber, vor das Lagerhaus.«
    Wir gingen um die Ecke, außer Hörweite der Kompanie.
    »Ist es nicht gut gelaufen heute?«, fragte ich.
    »Die gesamte Kompanie war an Bord der
Great Harry
. Was für ein Ungetüm! Mit dieser Menge an Kanonen ließe sich die Hölle erobern. Keiner meiner Burschen hat jemals zuvor dergleichen gesehen. Als wir die Strickleiter emporkletterten, kam Wind auf und schaukelte uns hin und her, so dass wir uns festklammern mussten wie Schnecken an ein Abflussrohr. Die Männer hatten entsetzliche Angst, ins Meer zu stürzen. An Bord schlitterten und stolperten sie einher, ungeachtet des schwachen Seegangs. Und unter jenem Netz wollte es ihnen ganz und gar nicht gefallen.«
    »Ich habe schon davon gehört. Es wird über die Decks gespannt und soll die Feinde beim Erstürmen der Schiffe auffangen. Darunter sind Soldaten mit kleinen Piken postiert.«
    »Das Geflecht ist dick, man fühlt sich darunter wie gefangen. Und sollte dem Schiff irgendetwas zustoßen, sollte es kentern, dann säße man in der Falle.« Er lachte, und ein wilder Unterton gab mir zu denken. »Die meisten Männer können nicht einmal schwimmen. Wir hätten mehr

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