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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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darauf wurde eine Strickleiter heruntergeworfen. Sie rollte sich auf, und das Ende landete klatschend im Wasser neben uns.

kapitel neununddreißig
    U nser Fährmann holte die Leiter an Bord und drehte sich zu uns um. »Jetzt steigt hinauf, wenn ich bitten darf, aber hübsch einer nach dem anderen.«
    Leacon ergriff die Leiter und klomm behutsam hinauf. Ich sah ihm bang zu, wie er beherzt eine Sprosse nach der anderen nahm, und erschrak, als just über meinem Kopf eine Stückpforte aufklappte. Das Quietschen von Rädern tönte heraus, und alsbald schob sich mit einer seltsam vibrierenden Bewegung ein gewaltiges Kanonenrohr aus der Öffnung. »Die Achse muss geschmiert werden«, bellte einer. Die Kanone wurde zurückgeholt und die Luke wieder geschlossen. Ich blickte nach oben, wo Leacon schon auf der obersten Sprosse angelangt war. Hände griffen durch die offene Luke und zerrten ihn durch die schmale Öffnung.
    »Jetzt Ihr, Sir«, sagte der Fährmann. Ich holte tief Luft, griff nach der Leiter und erklomm sie, ohne nach unten zu schauen. Das sanfte Geschaukel des Schiffes war schwindelerregend. Ich erreichte die Öffnung, und auch mir streckten sich helfende Hände entgegen. Jenseits der Luke ließ ich mich hinunter auf die Planken, mehrere Fuß unter mir, und wäre um ein Haar hingeschlagen. »Das ist ja ein Anwalt, verflucht«, stellte einer verwundert fest.
    Leacon ergriff meinen Arm. »Ich habe einen Seemann nach Master West geschickt.«
    Ich blickte mich um. Ein kräftiges, kleinmaschiges Netz umschloss das Deck. Es war oberhalb der Luken an der Reling befestigt und zudem an einer hölzernen Spiere in der Mitte, die sieben Fuß über unseren Köpfen, von dicken Pfosten getragen, das offene Wetterdeck entlanglief. Die breite Spiere bildete über uns eine Art Brücke, die die beiden Deckaufbauten miteinander verband; ein Seemann lief mit bloßen Füßen darüber. Ich ließ den Blick das zwanzig Fuß hohe Heckkastell hinaufwandern. Zwei lange, verzierte Kanonen ragten heraus, nach außen gerichtet. Zwei weitere lugten aus dem Bugkastell und wiesen in die entgegengesetzte Richtung.
    »Was für eine Schöpfung«, sagte ich leise. Ich blickte über das Wetterdeck. Es maß ungefähr vierzig Fuß in der Breite und war fast ebenso lang, beherrscht zu beiden Seiten von drei eisernen Kanonen, ein Dutzend Fuß lang und auf Lafetten gezurrt. Das Deck lag im fahlen Schein von Talgkerzen in hohen Hornlaternen. An die sechzig Seeleute hockten in kleinen Gruppen zwischen den Kanonen beieinander, spielten Karten oder würfelten; sie waren barfuß, die meisten mit Wämsern über den Hemden und einige mit runden Wollmützen, denn es blies ein kühler Wind. Viele waren noch jung, ihre Gesichter jedoch schon wettergegerbt. Ein kleiner Jagdhundmischling saß bei einer Gruppe und beobachtete eifrig die Männer beim Kartenspiel. Einige der Matrosen musterten mich mit kühler Neugier, fragten sich vermutlich, wer ich war, die kleinen Augen lichte Punkte. Eine Gruppe unterhielt sich in einer Sprache, die ich als Spanisch identifizierte, eine andere lauschte inbrünstig einem Geistlichen, der laut aus der Bibel vorlas: »›Und er stand auf, gebot dem Winde drohend und sprach zu dem Meere: Schweig, verstumme! Und der Wind legte sich, und es ward eine große Stille.‹« Ein ranziger Fleischgeruch und kleine Dampfschwaden stiegen aus einigen der Bodenluken empor, welche sich über das Deck verteilten und mit schweren Holzgittern versehen waren.
    »Zum ersten Mal auf einem Kriegsschiff, Sir?« Einer der Seeleute, die mich an Bord gezogen hatten, waren bei uns stehen geblieben, vermutlich aus Neugier.
    »Ja.« Ich blickte durch das Netz zum Mastkorb empor, der sich in luftiger Höhe auf dem Großmast befand. Dort oben stand der Ausguck, der unser Kommen angekündigt hatte. Ein schmächtiger Bursche kletterte das Takelwerk hinauf, ebenso behend wie der Affe der Königin den Käfig in Hampton Court.
    Ein Matrose, der in der Nähe saß, drehte sich zu mir um und sagte in scherzhaftem Ton: »Seid Ihr hier, um zu erwirken, dass man uns das Nachtmahl aufträgt, Herr Anwalt?« Ich bemerkte, dass fast alle ihre hölzernen Löffel in Händen hielten und neben leeren Schüsseln hockten. »Uns knurrt der Magen.«
    »Hoffentlich ist es essbar«, murrte ein anderer, der mit einer Pinzette aus einem winzigen Werkzeugbesteck an seinem Finger zugange war. Er verzog das Gesicht, als er einen großen Splitter herauszog.
    »Lass gut sein, Trevithick«,

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