Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
Vom Netzwerk:
antwortete unser Seemann. »Der Gentleman hat Amtsgeschäfte zu erledigen.« Er senkte die Stimme. »Das Essen hat zu lange in den Fässern gelegen und ist verdorben, Sir. Wir mögen den Gestank nicht, der zu uns heraufweht. Wir hätten heute frische Vorräte erhalten sollen, aber sie sind nicht gekommen.«
    »Die Verpflegung ist auch bei uns Soldaten immer die Hauptsorge«, sagte Leacon. Er blickte auf die barfüßigen Seeleute. »Verpflegung und Schuhwerk, obwohl euch Matrosen Letzteres nicht zu bekümmern scheint.«
    »Die Soldaten sollten barfuß gehen wie wir, dann würden sie hier an Bord nicht unentwegt ins Rutschen und Stolpern geraten.«
    Die
Mary Rose
bewegte sich leicht in der Brise, und ich schwankte. Auf dem Laufgang über mir schleppten zwei Matrosen eine lange, schwere Kiste, ohne auf ihre Schritte zu achten. Sie verschwanden durch einen Durchgang im Heckkastell. Unser Seemann ließ uns gelangweilt stehen.
    »Ich sehe schon, warum Eure Leute eingeschüchtert sind«, sagte ich leise zu Leacon. »Ich war schon des Öfteren auf einem Schiff, aber dies hier –«
    Er nickte. »Tja, obwohl ich in der Hitze des Gefechts nicht an ihrem Mut zweifle.« Ich blickte wieder hinauf zum Achterdeck. Ein weiteres Netz schützte den obersten Bereich, an einer Spiere im Zentrum befestigt, von Laternen darunter fahl beleuchtet. Jemand dort oben spielte die Laute, und der Wind wehte uns die Töne zu. Leacons Blick folgte dem meinen. »Wir haben heute auf dem Heckkastell der
Great Harry
geübt, indem wir Pfeile durch die Luken auf dem Oberdeck schossen. Es war schwer, einen treffsicheren Schuss abzugeben.«
    »Die Seeleute sind übler Laune.«
    »Es ist schwer, ihnen Disziplin beizubringen, man hat sie aus dem gesamten Königreich hierher gepresst. Einige sind richtige Freibeuter.«
    Ich lächelte. »Euch Plagen doch keine Vorurteile, George?«
    »Sie haben auch keine Scheu, die ihren zu zeigen, wenn sie meine Männer verhöhnen.«
    Ein dünner, drahtiger Mann in gestreiftem Wams bahnte sich einen Weg auf uns zu; er trug eine Hornlaterne, deren Licht heller strahlte als das der Matrosen, weil sie eine gute Bienenwachskerze enthielt. Er verneigte sich knapp und wandte sich dann mit walisisch gefärbtem Englisch an Leacon. »Ihr wollt Master West sprechen, Captain?«
    »Mein Begleiter hier. Es ist dringend.«
    »Er ist unten in der Kombüse, beim Koch. Ihr müsst Euch zu ihm hinunterbemühen, Sir.«
    »Nun gut. Weist Ihr mir den Weg?«
    Er sah mich unschlüssig an. »Die Kombüse ist im Frachtraum. Könnt Ihr das bewältigen?«
    »Ich bin auch an Bord geklettert, oder etwa nicht?«, versetzte ich in scharfem Ton.
    »Euer Mantel wird Schaden nehmen, Sir. Am besten, Ihr legt ihn ab.«
    Leacon nahm ihn entgegen. »Ich warte hier auf Euch«, sagte er. »Aber macht es bitte kurz.«
    Ich stand im Hemd da, leicht fröstelnd. »Seid unbesorgt, Sir«, sagte der Seemann. »Unten ist es warm.«
    Er führte mich über die Planken auf das Heckkastell zu. Während ich ihm folgte, geriet ich neben ein paar Kartenspielern aus dem Tritt und schleuderte versehentlich ein Würfelchen in die Luft; ein Mann fing es geschickt wieder auf. »Verzeihung«, sagte ich. Er blickte mich mit feindseliger Härte an.
    Just vor dem Heckkastell erreichten wir eine offene Bodenluke, durch welche eine breite Leiter abwärts in die Dunkelheit führte. Der Seemann wandte sich zu mir um. »Hier hinunter.«
    »Wie heißt Ihr?«
    »Morgan, Sir. Bitte folgt mir, aber seid vorsichtig.«
    Er trat auf die Leiter. Ich wartete, bis sein Kopf verschwunden war, und machte mich dann ebenfalls an den Abstieg.
    Im Halbdunkel musste ich mich behutsam von einer Sprosse zur nächsten tasten und dankte Gott, dass das Schiff sich kaum regte. Es wurde heißer. Irgenwo hörte man ein Tropfen. Am Fuße der Leiter erblickte ich ein wenig Licht, und an den Balken hingen weitere Laternen. Es war das Kanonendeck. Weit über hundert Fuß lang, erstreckte es sich vom Vorderdeck bis nach achtern, nahm also nahezu die gesamte Länge des Schiffes ein. Weiter hinten waren einige Bereiche in Kabäuschen unterteilt, aus denen die Rückseiten der Kanonen ragten. Zu meinem Erstaunen war genügend Platz vorhanden, um aufrecht zu stehen. Ich bestaunte die Kanonen auf ihren Lafetten. Diejenige, die mir am nächsten war, war aus Eisen; daneben stand eine aus Bronze, mit der großen Tudor-Rose eingeprägt, eine Krone darüber, seltsam schimmernd im Laternenlicht. Scharfer Pulverdampf mischte sich in

Weitere Kostenlose Bücher