Der Pfeil der Rache
zu vertreten.«
»Ihr wart recht rührig«, bemerkte Warner höhnisch.
Die Königin sagte: »Und der Tote in Rolfswood, der Vater Eurer – Freundin – aus dem Bedlam? Was soll in diesem Zusammenhang geschehen?« »Es wird eine gerichtliche Untersuchung geben. Wann, weiß ich nicht.«
Die Königin sah mich an. »Dann ist es an der Zeit, die Wahrheit an den Tag zu bringen. Nun zu Hugh Curteys: Selbst wenn bei der Verwaltung seiner Ländereien Korruption im Spiel war, sind uns die Hände gebunden, wenn er nicht will, dass der Fall weiterverfolgt wird. Matthew, ich weiß ja, dass Ihr eine Angelegenheit, die Ihr einmal angefangen habt, ungern ruhen lasst, doch manchmal ist man im Leben dazu gezwungen. Ihr müsst nun die gerichtlichen Untersuchungen abwarten. Am besten, Ihr kehrt nach London zurück. Die Franzosen kommen, Ihr setzt vielleicht Euer Leben aufs Spiel.« Sie kniff sich in den Nasenrücken.
»Seid Ihr wohlauf, Majestät?«, fragte ich.
»Müde, das ist alles. Der König fand keinen Schlaf und ließ mich rufen, mit ihm zu plaudern. Er kann in letzter Zeit oft nicht schlafen wegen der Schmerzen im Bein.«
»Ihr ahnt nicht, wie schwierig das Leben im Augenblick für die Königin ist«, sagte Warner zornig. »Warum, glaubt Ihr, hat der König sie heute hier allein gelassen? Ich will es Euch sagen«, fuhr er fort. »Sollte er, was Gott verhüten möge, in den nächsten Tagen getötet oder gefangen genommen werden, wird die Königin für Prinz Edward die Regierungsgeschäfte übernehmen, wie schon im vorigen Jahr, als der König nach Frankreich zog, und sie wird mit allen fertig werden müssen: Gardiner, Norfolk, den Gebrüdern Seymour, Cranmer. Und Rich.« Er trat einen Schritt näher an seine Herrin heran, wie zu ihrem Schutz. »In den vergangenen zwei Jahren war sie Euch eine zurückhaltende Schirmherrin, die stets darauf achtete, dass der König, eingedenk der letzten Begegnung mit Euch, nicht in Zorn geriet. Und nun widersetzt Ihr Euch ihren Wünschen, bleibt in Hampshire, kommt hier hereinstolziert und äußert lächerliche Beschuldigungen gegen mich –«
Die Königin hob den Blick und lächelte schwach. Sie legte besänftigend die Hand auf Warners Arm. »Nicht doch, Robert. Matthew stolziert doch nicht herum. Lasst uns allein, nur ein paar Augenblicke, dann führt Matthew hinaus, so dass er schleunigst nach London heimkehren kann.«
Warner verneigte sich tief und schritt steif davon, ohne mich noch eines Blickes zu würdigen. Die Königin gab den Zofen ein Zeichen, und sie zogen sich in den Schatten der Pforte zurück. Sie blickte mich an, und das leise Lächeln umspielte noch immer ihre Lippen.
»Ich weiß, Ihr meint es gut, Matthew. Doch vergesst nicht, der Weg zur Hölle ist gepflastert mit guten Absichten.«
»Es tut mir leid. Ich bedaure zutiefst, dass ich Master Warner verdächtigt habe, und noch mehr, dass Ihr Ursache habt, mir zu grollen.«
Sie sah mich eindringlich an. »Dann seht Ihr ein, dass ich Grund dazu habe? Nachdem Ihr ungehorsam wart?«
»Jawohl, ich sehe es ein.«
Sie nickte anerkennend und warf einen Blick auf das Hündchen in ihrem Schoß. »Wisst Ihr noch, damals in Hampton Court?«, sagte sie in leichterem Ton. »Als Lady Elizabeth bei uns war. Sie mochte Eure Antworten auf ihre Fragen, wie sie mir später erzählte. Ich glaube, Ihr habt in ihr eine Freundin gewonnen. Und sie mag wahrlich nicht jeden.«
»Ich musste in den letzten Wochen oft an sie denken. Ihr habt mir erzählt, dass sie Roger Aschams
Toxophilus
lese. Hugh Curteys ist ebenfalls hingerissen von diesem Buch. Er borgte es mir. Ich muss gestehen, dass ich es ein wenig – selbstzufrieden fand.«
»Ich bin Master Ascham schon begegnet.
Er
gehört zu denen, die einherstolzieren.« Sie lachte. »Aber er ist sehr gebildet. Lady Elizabeth hat den Wunsch geäußert, mit ihm in Verbindung zu treten. Sie ist wirklich ein bemerkenswertes Kind. Master Grindal ist ihr ein guter Lehrmeister, er gehört zu denen, die glauben, dass eine Frau ebenso lernfähig sei wie ein Mann. Das ist gut. Ich wünsche mir oft, meine Bildung wäre besser.« Sie lächelte erneut, und ein heiteres Leuchten trat in ihre Augen. »Obwohl ich es lieber sähe, wenn Elizabeth nicht fluchte wie ein Knabe. Dergleichen ziemt sich nicht für eine Lady.« Die Königin blickte über den kleinen Garten; durch die Bäume drang das Sonnenlicht und zeichnete Muster ins Gras, sobald der Wind die Zweige bewegte. Vögel sangen leise. »Was für ein
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