Der Pfeil der Rache
friedvoller Ort«, bemerkte sie wehmütig. »Erzählt mir von Hugh Curteys. Wie ist er so?«
»Irgendwie – unergründlich. Aber er trauert noch immer um seine Schwester.«
Ein Schatten senkte sich auf ihre Miene. »Viele Menschen in England werden bald um ihre Liebsten trauern. Ich wünschte, der König hätte niemals –« Sie sprach den Wunsch nicht zu Ende, biss sich auf die Lippen, streckte die Hand aus und berührte die meine. »Es tut mir leid, dass ich gekränkt war, Matthew. Ich bin müde.«
»Soll ich Euch allein lassen, Euer Majestät?«
»Ja. Ich möchte mich zurückziehen und ein wenig ruhen. Aber ich bete zu Gott, dass wir uns in London wohlbehalten wiedersehen.«
Ich verneigte mich und trat zur Tür. Ich war voller Dankbarkeit für ihre Nachsicht und bedauerte zutiefst meine Anschuldigungen gegen Warner. Nun hatte ich in der kleinen Lady Elizabeth zwar eine Freundin gewonnen, gleichzeitig aber auch einen Freund verloren. Ich runzelte nachdenklich die Stirn. Irgendetwas nagte an mir. Etwas, das die Königin über Elizabeth gesagt hatte. Die Kammerzofen traten mit raschelnden Röcken beiseite, um mich hindurchzulassen. Im Innern wartete Warner, sein Gebaren mir gegenüber war noch immer kalt und feindselig.
»Robert«, sagte ich, »bitte verzeiht –«
»Ihr solltet jetzt gehen.«
Wir erklommen die Stufen, die ich zuvor voller Angst herabgestiegen war. »Master Warner«, sagte ich, als wir oben angelangt waren. »Gestattet Ihr mir noch eine Frage?«
»Nun?«, fragte er barsch.
»Es war in Hampton Court. Ihr sagtet, die Königin halte, genau wie Katharina von Aragon, ihren Dienern die Treue.«
»Keine Sorge«, sagte er verächtlich, »die Königin wird auch Euch die Treue halten.«
»Das meinte ich nicht. Ihr sagtet zudem, dass Katharina von Aragon ihre Fehler gehabt hätte. Was habt Ihr damit gemeint?«
»Das ist leicht gesagt. Sie war wie Ihr, Sir, auch sie wollte nicht lockerlassen, obschon Vernunft und Anstand sie längst eines Bessern belehrt hatten. Nachdem der König ihr mitgeteilt hatte, dass er die Scheidung wolle, sandte der Papst ihr eine Botschaft. Als ihr Rechtsberater wusste ich davon. Der Papst, dem Katharina als Katholikin in oberster Instanz verpflichtet war, legte ihr nahe, sie möge sich, England zuliebe, das zu zerreißen drohte, in ein Kloster zurückziehen, wodurch der König nach den Gesetzen der Kirche das Recht erhielte, sich neu zu vermählen, auch ohne Scheidung.«
»Das wäre eine brauchbare Lösung gewesen.«
»Die beste. Sie war über das gebärfähige Alter hinaus; der König wollte ihr ohnehin nicht mehr beiwohnen. Sie hätte Status und Titel behalten, ein angenehmes Leben führen können. Und ihre geliebte Tochter Mary hätte ihren Platz in der Thronfolge behalten, anstatt, wie dies später der Fall war, knapp der Hinrichtung zu entgehen. Was wäre uns nicht alles erspart geblieben. Und ironischerweise hat die Königin mit ihrer Sturheit verschuldet, dass England sich von Rom abspaltete, das Letzte, was sie wollte.«
»Natürlich. Das verstehe ich.«
Warner lächelte dünn. »Sie aber glaubte, es sei der Wille Gottes, dass sie die Gemahlin des Königs bleibe. Und wie so oft, stimmte der Wille Gottes ganz ausgezeichnet mit dem ihren überein. Da seht Ihr, wohin die Sturheit führen kann. Zum Glück verfügt unsere gegenwärtige Königin über einen starken Realitätssinn. Stärker, als viele Männer ihn besitzen, obwohl sie nur ein schwaches Weib ist.«
Er machte auf dem Absatz kehrt und führte mich hinaus. Und mit seinen letzten Worten fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich begriff jetzt, was in Hoyland geschehen war, worin das Geheimnis bestand, das alle gekannt und verschwiegen hatten. Warner drehte sich erstaunt zu mir um, als ich einen Laut äußerte, der als Seufzer begann, jedoch als Stöhnen endete.
* * *
Eine Stunde später ritten Barak und ich in Richtung London. Als ich das Wirtshaus erreicht hatte, sah ich gerührt die Erleichterung auf seinem Gesicht. Warner sei unschuldig, hatte ich verkündet, ich hätte eine verdiente Rüge seitens der Königin einstecken müssen.
»Tja«, sagte er, »ich habe Euch gewarnt.«
»Ja, das hast du.«
Als wir weiterritten, schwieg ich still; Barak glaubte vermutlich, ich sei geläutert, dabei dachte ich heftig nach, drehte und wendete sämtliche Fakten seit jenem Geistesblitz in Warners Gegenwart, da ich die Befürchtung hegte, ich könne ein weiteres Luftschloss errichten. Doch diesmal fügte
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