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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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Ich versuchte zu lächeln.
    »Ich warte bis um drei Uhr nachmittags in dem Wirtshaus dort drüben«, sagte er. »Aber wenn Ihr bis dahin nicht zurück seid, reite ich weiter.«
    »Abgemacht.«
    Also wendete ich mein Pferd und ritt gen Westen. Ein paar Meilen ritt ich die Küste entlang; langsam wurden die hohen, weißen romanischen Mauern von Portchester Castle deutlicher, die auf einer Halbinsel aufragten, welche in die Stirnseite von Portsmouth Haven hineinragte. Zweimal begegnete ich einer Kompanie Soldaten, die in die entgegengesetzte Richtung unterwegs waren.
    Die Burg, ein fast quadratischer steinerner Bau, umgeben von einem Burggraben, umschloss mehrere Morgen Land. Inmitten der Mauern befand sich ein großes Pförtnerhaus und am westlichen Ende ein riesiger, ungeheuer massiver Bergfried. Ein Trupp Soldaten im Halbharnisch, mit Schwertern und Hellebarden bewehrt, bewachte die Zugbrücke vor dem Pförtnerhaus. Ich überreichte den Brief, den ich in der Nacht zuvor an Warner geschrieben hatte, in dem ich um eine Unterredung bat, einem jungen Soldaten. Er sah mich fragend an. »Wie ich hörte, weilt die Königin samt Gefolge hier in Portchester«, sagte ich.
    »In der Tat.«
    »Ich wurde nach Portsmouth gerufen, um im Auftrag der Königin eine juristische Angelegenheit zu klären. Die Sache hat eine gewisse Wendung genommen, so dass ich mit Master Warner sprechen muss.«
    Der Offizier starrte mich fassungslos an. »Ich dachte, sie hätten alle Hände voll zu tun und keine Zeit für die Wortklaubereien eines Rechtsanwalts.«
    »Die Angelegenheit begann vor der gegenwärtigen Krise. Ich glaube, Master Warner wird mich empfangen.«
    Er knurrte unwirsch, winkte dann aber einen jungen Soldaten herüber, gab ihm den Brief und trug ihm auf, ihn Warner zu überbringen. Der Soldat rannte auf die Zugbrücke zu.
    »Habt Ihr den Einzug Seiner Majestät in Portsmouth gesehen?«, fragte der Unteroffizier.
    »O ja, die Menschen jubelten ihm zu.«
    Er wies mit dem Kopf auf die Burg hinter ihm. »Wir müssen sie womöglich gegen den Ansturm der Franzosen verteidigen. Es sollen dreißigtausend sein.« Er lachte bitter. »Wortklaubereien!«, murrte er noch einmal. Wir warteten schweigend in der gleißenden Sonne, bis der junge Soldat wieder angelaufen kam. »Er will den Anwalt empfangen, Sir«, teilte er dem Offizier mit.
    * * *
    Einer der Soldaten nahm mein Pferd, und der Offizier führte mich widerstrebend über die Zugbrücke. Wir gingen durch das große Pförtnerhaus, von weiteren Soldaten bewacht, und traten auf einen großen, freien Platz, auf dem noch mehr Soldatenzelte standen. Auf dem kurzgeschnittenen Gras übten Männer sich im Bogenschießen und Exerzieren. Vor mir erhob sich ein großer Speicher. Die Tür stand offen, und so sah ich, dass er fast leer war; die meisten Güter waren mittlerweile wohl nach Portsmouth geschafft worden. Ein Pfad führte schnurgerade über den Platz auf ein weiteres Tor zu, an der entgegengesetzten Seite, die nach dem Hafen ging. Soldaten patrouillierten auf den Mauern, und ich sah die dunklen Umrisse von Kanonen. Falls es den Franzosen gelänge, in den Hafen vorzudringen, versuchten sie möglicherweise, genau hier zu landen.
    Wir wandten uns nach links, auf den hohen inneren Bergfried zu; er war umgeben von einem Komplex aus kleineren Gebäuden, ebenfalls von Mauern umschlossen und beschützt von einer Fortsetzung des Burggrabens. Der Unteroffizier musste seinen Auftrag den Wachen erklären, die dort postiert waren, ehe er die Erlaubnis erhielt, mich über den inneren Graben auf den Haupthof zu führen. Solange der König fort war, waren nur wenige Menschen hier. Wir durchquerten eine hohe, verzierte Tür und erstiegen sodann eine Treppe zu einer großen Halle mit prachtvollem Hammerbalkengewölbe. Ich wurde einem Beamten übergeben, der mich über einen schmalen Gang in ein kleines Vorzimmer führte, wo er mich zu warten bat. Dort standen einige gepolsterte Stühle; ich ließ mich müde auf einem nieder. Es war still; auf der Anrichte tickte in einem fort eine Tischuhr. Die Sonnenstrahlen fluteten durch ein Bogenfenster herein.
    Die Tür ging auf, und Warner trat ein, meinen Brief in der Hand. Er sah erregt aus. »Matthew, was soll das?«, fragte er. »Ich hoffe, es ist dringend.«
    Ich stand auf und verneigte mich. »O ja. Ich muss Euch sprechen, Robert.«
    »Warum seid Ihr noch immer hier im Süden?«, fragte er in scharfem Ton. »Die Königin hatte Euch doch nahegelegt, nach London

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