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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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fünfzig Pikeniere Aufstellung genommen und die neun Fuß hohen Piken aufgerichtet, dass die Spitzen durch das Gitterwerk ragten, bereit, nach etwaigen Eindringlingen zu stechen. Ein Offizier mit einer Trillerpfeife um den Hals behielt sie im Auge. Er warf einen Blick zu den Ausgucken auf dem Großmast empor, die als einzige das Geschehen überschauen konnten.
    Ganz in der Nähe diskutierten drei Offiziere. Den einen erkannte ich als den Zahlmeister. Der zweite war Philip West. Er wirkte ausgezehrt, während er mit dem dritten Mann sprach, einem hochgewachsenen, vornehm gewandeten Mittvierziger. Dessen dunkelbrauner Bart umrahmte ein langes, finsteres Gesicht, und an der Hüfte trug er Duftkugel und Schwert. Um den Hals hing ihm an einer langen Goldkette eine gewaltige Trillerpfeife. Er betrachtete einen Gegenstand, der einer winzigen Sonnenuhr glich. Als West verstummte, merkte er auf.
    »Wenn das Bier schlecht ist«, sagte er unwirsch, »muss es eben ohne gehen.«
    Der Zahlmeister hielt dagegen: »Die Männer sind am Verdursten. Und fangen langsam an zu murren –«
    »Dann gebt ihnen, was wir haben!«
    »Sie trinken es nicht, Sir George«, sagte West ungeduldig. »Es ist schlecht –«
    »Nicht in diesem Ton, Mann!«, entgegnete barsch Sir George Carew. »Himmel, sie sollen sich gefälligst zusammenreißen. Der König beobachtet uns vom South Sea Castle aus, vornehmlich dieses Schiff!«
    West drehte den Kopf. Da wurde er meiner ansichtig und sperrte vor Überraschung und Entsetzen Mund und Augen auf. Ich hielt grimmig seinem Blick stand. Hier konnte er mir nichts anhaben. Auch Leacon maß ihn verächtlich und wandte sich dann mir zu. »Auf nach oben!«
    Wir begaben uns auf das unterste Deck des Heckkastells, wo behelmte Soldaten standen, die Arkebusen und Hakenbüchsen gegen die Schiffswand gelehnt. Hier gab es in Augenhöhe statt der Luken nur Stückpforten, durch die sie ihre Waffen steckten. Ich blickte durch einen breiten Durchgang auf die Laufbrücke zwischen den Kastellen, oberhalb des Netzes. Dort standen zwei Matrosen in karierten Hemden und beobachteten ein paar Soldaten, die vom Bugkastell aus eine lange Kiste über die Laufbrücke schleppten. Mehrere Kanoniere brachten die zwei langen Kanonen zu beiden Seiten des Durchgangs, die ich bei meinem ersten Besuch vom Wetterdeck aus gesehen hatte, in Stellung, dass sie durch eine Lücke im Takelwerk nach außen zielten. Die Geschütze waren aus Bronze und wunderschön verziert. Als ich hinter mich blickte, sah ich in zwei Reihen breitbeinig Gewehrschützen stehen, die mit langen, schweren Feuerwaffen durch kleine Schießscharten zielten. Falls die
Mary Rose
an ein französisches Schiff geriete, würden sie Geschosse aus Metall und Stein auf die feindliche Besatzung regnen lassen.
    »Noch mehr Pfeile«, sagten die Soldaten, als sie den Durchgang erreichten.
    »Her damit.« Die Matrosen übernahmen die Kiste und schleppten sie zur Leiter, die weiter nach oben führte. Sie kletterten leichtfüßig hinauf und wieder herunter und bezogen erneut ihre Posten im Durchgang. Leacon und ich erstiegen das oberste Deck des Heckkastells, wo die Sonne schien. Über unseren Köpfen war ein Netz gespannt. Das Heckkastell war weitaus länger als das Wetterdeck und ebenso dichtbevölkert. Leacons halbe Kompanie war anwesend, an die zwanzig Mann; sie standen zu mehreren hintereinander an den offenen Luken, damit sich für jeden Gefallenen sogleich ein Ersatz fände. Snodin schritt bedächtig das Deck auf und ab, einen strengen Ausdruck im feisten Gesicht. Sichtlich verwundert, starrte er zu mir herüber. Wie die Männer ein Deck tiefer trugen auch hier die meisten Helme und Steppwämser aus Zwillich – Pygeon, ein wenig weiter vorn, hatte die leuchtend rote Brigantine angelegt, die er Sulyard abgeluchst hatte. Die Männer hielten die Bögen gespannt, sorgsam darauf bedacht, das Netz über ihren Köpfen nicht zu berühren, hatten ihre Pfeilköcher an den Hüften hängen und zum Schutz der Arme die ledernen Schienen angelegt. Die Kiste mit den Pfeilen stand offen in der Mitte des Decks. Zwischen den Bogenschützen hatten Musketiere vor schwenkbar an der Reling montierten Waffen Stellung bezogen. Vom hinteren Ende des Heckkastells, unter einer riesigen Fahne mit dem Georgskreuz darauf, überblickte Sir Franklin Giffard das Schiff, die Miene gefasst und entschlossen. Durch die offene Luke neben mir sah ich hinaus auf die See, vierzig Fuß unter uns. Ich schluckte und wandte mich

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