Der Pfeil der Rache
verschränkt, Schmerz und Wut im Blick.
Die
Mary Rose
geriet heftig ins Schlingern. Einige Männer schwankten erneut, griffen nach der Reling oder über sich ins Netz. Ich hatte weitere Pfiffe und Befehle von unten bemerkt, und jetzt vernahm ich von achtern ein lautes Gerassel. Die Anker wurden gelichtet. Als ich mich umblickte, bauschten sich große weiße Segel an Bugspriet und Großmast und schlugen in der auffrischenden Brise. Zur Linken hissten zunächst die
Great Harry
, alsdann auch die anderen Schiffe die Segel. Die
Mary Rose
schlingerte erneut und trieb dann langsam auf die Galeeren zu, dem Gefecht entgegen.
kapitel siebenundvierzig
M ehrere kurze, durchdringende Pfiffe ertönten vom Fuße der Leiter. »In Stellung!«, rief Sir Franklin.
Leacon blickte Emma und mich grimmig an. »Schnell, nach unten und bleibt in Deckung!«, befahl er uns und ging zu seinen Männern. Die meisten blickten noch immer in unsere Richtung, doch mittlerweile starrten sie an uns vorbei auf die Galeeren, die jenseits des Bugkastells und des gehissten Focksegels auf uns zuhielten. Mit großem Getöse entrollte sich das Lateinersegel am hinteren Ende des Schiffs. Obwohl ich wenig Bewegung spürte – bis auf ein sanftes Heben und Senken –, näherte sich die
Mary Rose
den Galeeren mit beträchtlicher Geschwindigkeit. Wieder warf ich einen Blick auf die Soldaten. Carswell schenkte mir ein banges Lächeln und zuckte die Schultern, als wollte er sagen ›jetzt ist es so weit, wir sitzen alle im selben Boot‹. Pygeon, der schwitzte in seiner Brigantine, bekreuzigte sich. Leacon stellte sich in die Mitte des Heckkastells neben Snodin, wo auch Emmas Steppwams am Boden lag. »Seid standhaft, Männer!«, sagte Snodin mit ruhiger, mitfühlender Stimme, wie ich sie noch nie zuvor von ihm gehört hatte.
Das Deck neigte sich so plötzlich, dass ich fast hingeschlagen wäre. Ein Matrose in der Nähe, der am Takelwerk des Großmastes Stellung bezogen hatte, rief uns zu: »Zieht die Schuhe aus! Und geht von Deck, hier seid ihr nur im Weg!«
Ich streifte die Schuhe ab und lief auf die Leiter zu. Emma zögerte, doch dann tat sie es mir gleich. Als wir die Luke erreicht hatten, warf ich einen Blick über die Schulter. Die
Mary Rose
hatte sich an die Spitze unserer Flotte gesetzt, gefolgt von der
Great Harry
und allen übrigen Schiffen. Durch die offene Luke des Bogenschützen neben mir erspähte ich in der Ferne South Sea Castle. In der Tiefe gischten die Wogen, als die
Mary Rose
durch das Wasser schnitt. Mein Magen geriet ins Schlingern.
Ich machte mich daran, die Leiter hinunterzusteigen. Dann blickte ich mich nach Emma um. Sie zögerte erneut, doch dann folgte sie mir mit wild aufgerissenen Augen.
Ich kletterte langsam nach unten, bemüht, nicht auf die Schmerzen in Armen und Schultern zu achten. Auf dem unteren Deck standen nach wie vor breitbeinig die Gewehrschützen und linsten durch die kleinen Stückpforten, während sich zu beiden Seiten der Leiter die Kanoniere an den zwei langen Kanonen bereithielten. Durch den breiten Durchgang zur Laufbrücke oberhalb des Netzes sah ich, dass wir noch immer geschwind auf die Galeeren zuhielten. Die beiden Matrosen links und rechts davon starrten ebenfalls nach vorn. Dann begann die
Mary Rose
zu wenden. Backbord tauchte ab, dass ich von der Leiter auf das Deck geworfen wurde. Ich stieß mir die Schulter und schrie auf vor Schmerz. Die Matrosen in unserer Nähe wandten kurz die Köpfe. Das Schiff tauchte noch tiefer ein und richtete sich dann wieder auf.
Ich mühte mich auf die Beine. Der Schmerz durchzuckte meinen Arm. Endlich konnte ich mich aufrappeln. Emma, die zu mir herübersah, zögerte. »Ich kann nicht mehr klettern«, sagte ich.
»Wir sollten doch unter dem Heckkastell in Deckung gehen.«
»Geht allein. Ich kann nicht.«
Zum ersten Mal wirkte sie unentschlossen, unsicher. Sie stieg von der Leiter und trat neben mich. Das Schiff drehte sich noch immer, und einige Gewehrschützen klammerten sich mittlerweile mit einer Hand an den Stückpforten fest. Ein Blick nach vorn sagte mir, dass die
Mary Rose
den Galeeren die Breitseite darbot und die Kanonen zum Einsatz bringen würde. Schwindel erfasste mich, und ich sank zu Boden. Emma blickte an ihrem zerrissenen Hemd herunter, sah das Herzkreuz an seinem Band schaukeln. Es war noch immer schwer zu glauben, dass sie kein Knabe war. Sie schlug die Enden des Hemds übereinander und setzte sich neben mich. »Angst, Master Shardlake?«, fragte
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