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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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geboten habe, einen Platz in der Welt. Ich habe sie gerettet, und ich bin alles, was sie hat. Ich habe sie behandelt wie mein eigen Fleisch und Blut.«
    »Guy«, sagte ich, »würdest du mir einen kleinen Gefallen tun? Geh und hole uns Josephine her.«
    Coldiron wandte sich an ihn, als er zur Tür ging: »Sir«, sagte er flehend, »Ihr glaubt doch diese Lügen nicht etwa?«
    Guy antwortete nicht. Als er gegangen war, standen Coldiron und ich einander gegenüber. Er leckte sich über die Lippen. »Sir, bitte, verratet mich nicht. Wenn es zum Prozess käme, würde man Saddlers Lügen glauben.«
    »Man wird seine Aussage mit den Dokumenten der Truppe vergleichen. Dann erhalten wir die Wahrheit.«
    »Lasst Josephine und mich doch einfach gehen«, sagte er flehend. »Wir verlassen Euch, sobald Ihr es wünscht. Obwohl ich ein alter Mann bin, verwundet im Dienst für den König –«
    »Doch eher, weil du beim Kartenspiel betrogen hast, nicht?«
    Einen Augenblick verzerrte die Wut sein Gesicht, aber er sagte nichts mehr. Die Tür tat sich auf, und Guy kam herein. Josephine trottete ihm hinterher, sie schaute ängstlich drein.
    »Sir«, sagte sie sogleich. »Habe ich etwas falsch gemacht? Vater –«
    »Halt’s Maul, Jojo«, sagte Coldiron warnend. »Sei still.«
    Ich sagte: »Josephine, du bist nicht in Gefahr. Aber ich weiß, dass William Coldiron nicht dein Vater ist. Coldiron ist nicht einmal sein richtiger Name.«
    Josephine war unruhig von einem Fuß auf den anderen getreten, doch jetzt stand sie reglos da, die Miene wachsam, die Augen schmal. Und ich erkannte, dass ihre Dummheit und Trampeligkeit weitgehend gespielt waren. Eine Rolle, an die sie sich über die Jahre gewöhnt hatte, so wie Emma Curteys gelernt hatte, den Part ihres Bruders zu mimen. Zweifellos gefiel sie Coldiron in dieser Rolle – töricht, ungeschickt, abhängig.
    »Als ich in Portsmouth war«, fuhr ich fort, »da kam mir etliches zu Ohren über Master Coldiron. Wie er tatsächlich zu seiner Verletzung kam –«
    »Es war in Flodden, Sir«, sagte sie.
    »Alles Lüge. Und er desertierte Jahre später von seiner Truppe, als er dich mit sich nahm.«
    Sie blickte zu Guy hinüber. Er nickte. Sie wandte sich an Coldiron. »Du hast mir aber doch erzählt, dass du fortgehen musstest, Vater, dass die Männer schlimme Dinge mit mir anstellen wollten, dass du mich beschützen wolltest –«
    »Du sollst still sein«, zischte Coldiron, »du dummes, ungeschicktes französisches Frauenzimmer.«
    Sie verstummte augenblicklich. »Ich lasse dich gehen, Coldiron«, sagte ich, »ich verrate dich nicht – ich will nicht, dass Josephine für deine Schandtaten bestraft wird. Geh jetzt. Nun zu dir, Josephine, ich möchte, dass du bleibst und für mich arbeitest. Wenn du es willst.«
    Ihr Mund zitterte. »Aber Sir, Ihr wisst doch – und Dr. Malton weiß es auch –, dass ich zu nichts tauge.«
    »Das ist wahr«, fauchte Coldiron böse. »Du brauchst mich, damit ich auf dich aufpasse und du nicht alles versaubeutelst.«
    Ich wandte mich ihr zu. »Das ist nicht wahr.«
    »Wir kümmern uns um dich, Josephine«, sagte Guy freundlich. Sie schaute von einem zum anderen, verzog das Gesicht und schlug schluchzend die Hände vors Gesicht. Guy trat zu ihr und klopfte ihr auf die Schulter.
    »Lass sie gefälligst in Ruhe, du brauner Hundsfott!«, schrie Coldiron. »Und Ihr, Krüppel, buckliger! Ihr seid immer gegen mich gewesen, Ihr hasst die Soldaten, hasst einen jeden, der ein richtiger Mann ist, kein Schwächling, kein Krüppel und kein Feigling –«
    Da war zu viel. Rasend vor Wut fuhr ich auf ihn los. Coldiron wich überrascht zurück, als ich ihn bei den Schultern packte, herumdrehte und auf den Flur hinausbugsierte. Simon und Timothy hatten die lauten Stimmen gehört, standen im Eingang zur Küche und hielten Maulaffen feil.
    »Tim!«, schrie ich. »Mach die Tür auf!«
    Coldiron heulte auf: »Nein, nicht im Beisein der Burschen! Nein!« Er strampelte, als Timothy rannte und flugs die Tür aufriss. Ich stieß Coldiron hinaus. Er landete mit dem Gesicht nach unten am Fuße der Treppe, schrie wie ein abgestochenes Schwein, fuhr herum und starrte zu mir herauf. Ehe ich ihm die Türe vor der Nase zuschlug, sah Coldiron noch – das Beste überhaupt –, wie Simon und Timothy hinter mir lachten und in die Hände klatschten.

kapitel zweiundfünfzig
    I ch ging zurück in die Stube. Josephine saß am Tisch, ruhiger jetzt, Guy neben ihr. Sie blickte zu mir auf, ein

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