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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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dass mich jemand von der Treppe aus beobachtete. Ich starrte zu Coldiron empor. Er stieg leichtfüßig herab, das Auge funkelnd vor Neugier. »Sir«, sagte er, »willkommen daheim. Habt Ihr in Portsmouth etwas erlebt? Es soll ja zum Gefecht gekommen sein, man erzählt sich, die Franzosen seien vor den Augen des Königs in die Flucht geschlagen worden.«
    Ich antwortete nicht. Er stieg bis an den Fuß der Treppe und blieb stehen. Er sah mich unsicher an, als ahne er etwas, und sagte: »Sie schicken noch mehr Männer hinunter. Der junge Simon will auch zu den Soldaten, wenn der Krieg weitergeht.«
    »Nur über meine Leiche«, entgegnete ich leise. »Wo ist Dr. Malton?«
    »In der Stube. Ich –«
    »Kommt in fünfzehn Minuten zu uns.« Ich wandte mich ab und ließ ihn im Ungewissen.
    * * *
    In der Stube saß Guy und las. Er blickte auf, erhob sich freudig, eilte auf mich zu und ergriff meine Arme. Ich sah mit Erleichterung, dass er allmählich wieder der Alte zu sein schien, die müde Trauer weniger ausgeprägt in seinem braunen Gesicht.
    »Endlich bist du wieder da«, sagte er. »Aber du siehst müde aus.«
    »Ich habe Schreckliches gesehen, Guy, schlimmer, als du es dir vorstellen kannst. Ich erzähle dir später die Einzelheiten.«
    Er runzelte die Stirn. »Ist Jack wohlauf?«
    »Ja. Er war mein Fels in den vergangenen Wochen. Er ist schon bei Tamasin. Wie geht es ihr?«
    Er lächelte. »Sie fühlt sich dick, ist müde und reizbar. Aber alles steht zum Besten. Noch zehn Tage, bis es so weit ist, würde ich sagen.«
    »Und du?«
    »Ich fühle mich so gut wie lange nicht mehr. Meine Kraft kommt offenbar zurück. Ich will wieder nach Hause, wieder praktizieren. Und wenn die Schläger zurückkommen – nun ja, es liegt nun in Gottes Hand.«
    »Ich freue mich von Herzen für dich.«
    »Weißt du, was mir geholfen hat? Coldiron in die Schranken zu weisen. Bei Gott, er war ein unverschämter Rüpel in der ersten Woche. Aber ich ließ ihn nicht davonkommen mit seiner Mogelei. Ich bot ihm die Stirn. Dann war er eine Weile still und gehorsam, aber letzte Woche ließ er seine Wut wieder an Josephine aus –«
    »Das hast du erzählt.«
    »Er fiel mit einer Schöpfkelle über sie her. Ich nahm sie ihm fort.«
    »Gut. Ich habe ihn gebeten, sich in Kürze zu uns zu setzen. Doch zunächst muss ich dir etwas erzählen über ihn, was ich keinem Brief anvertrauen wollte, für den Fall, dass dieser Mensch ihn öffnet.«
    Ich erzählte, was der Soldat in Portsmouth über Josephines Herkunft erzählt hatte, und dass Coldiron mitsamt dem Geld seiner Kompanie desertiert sei. »Er wird gesucht«, schloss ich meinen Bericht.
    »Das überrascht mich nicht«, sagte Guy leise. »Was wirst du tun?«
    Ich antwortete grimmig: »Du wirst es schon sehen.«
    Einige Minuten später klopfte es an der Tür, und Coldiron trat ein. Er stellte sich in die Stube und nahm Haltung an. Ich sagte: »Nun, Coldiron. Oder sollte ich Euch William Pile nennen?«
    Er regte sich nicht, schien wie erstarrt.
    »Ich traf in Portsmouth einen alten Kameraden von dir. Du hast früher oft mit ihm Karten gespielt. Einen gewissen John Saddler.«
    Coldiron holte tief Luft. »Ich erinnere mich an Saddler. Ein ehrloser Bursche. Soldaten, die einen Groll mit sich herumschleppen, erzählen gerne Lügen, Sir.«
    »Er war mit dir in Flodden, du warst Zahlmeister in der Nachhut. Er wusste noch, wie du später Josephine aus Frankreich zu dir nahmst; damals war sie noch ein kleines Mädchen.«
    Er schluckte schwer, dass der Adamsapfel im sehnigen Hals auf und ab hüpfte. »Lügen«, rief er. »Lügen und Verleumdungen – jawohl, Verleumdungen. Ich habe Jojo aus einem brennenden französischen Dorf geholt, ihr das Leben gerettet.«
    »Nein, das hast du nicht. Du hast sie mitgenommen, als du mitsamt dem Geld deiner Truppe desertiert bist, so als wäre sie dein Eigentum. Darauf steht der Galgen.«
    »Alles Lüge!«, schrie Coldiron. Er schluckte, brachte sich wieder unter Kontrolle. Seine Stimme wurde schmeichlerisch. »Warum glaubt Ihr Saddler, Sir? Ein bösartiger Lügner. Wir Veteranen haben stets das Nachsehen«, fügte er jämmerlich hinzu.
    »Es ist einfach genug, Nachforschungen anzustellen. Dann widerfährt dir die Gerechtigkeit, die dir zusteht.«
    Sein Gesicht nahm einen gehetzten Ausdruck an. »Weiß Josephine, wer sie wirklich ist?«, fragte ich in scharfem Ton.
    »Sie erinnert sich an das brennende Dorf, das Leben im Soldatenlager. Sie weiß, dass ich ihr ein Leben

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