Der Pfeil der Rache
fuchsteufelswild.«
»Sie hat ja auch recht. Ich hätte dem Hundsfott keinen Floh ins Ohr setzen dürfen. Soldaten sind empfindlich. Heute morgen in Islington hat eine Horde deutscher Söldner einen Aufruhr verursacht, habt Ihr’s gehört? Wollten mehr Sold, um nach Schottland zu ziehen.«
»Umso artiger fügen sich die englischen Soldaten in ihr Schicksal.«
»Könnt Ihr mir aus dem Schlamassel helfen?«, fragte er ernst.
»Ich hoffe es. Du weißt, ich tue mein Bestes.« Ich schüttelte den Kopf. »Vorhin sah ich an die hundert Milizionäre von der Anlegestelle Westminster aufbrechen. Und am Lincoln’s Inn hörte ich, dass die Marine mittlerweile zwölftausend Mann stark sein soll. Sechzigtausend Soldaten unten am Ärmelkanal; dreißigtausend in Essex. Zwanzigtausend entlang der schottischen Grenze. Großer Gott!«
Hinter der Trennwand grölte einer der zechenden Burschen: »Wir stöbern sie alle auf, die französischen Spitzel! Sind ja doch nur eitle Gockel! Denen stutzen wir den Kamm!«
»Er würde anders reden, wenn er Frau und Kind hätte.« Barak biss in die Pastete und spülte den Happen mit einem deftigen Schluck Bier hinunter.
»Wenn du noch einmal so jung wärest wie sie und ledig dazu, würdest du dann nicht ins gleiche Horn stoßen?«
»Nein. Ich laufe niemals mit der Herde, schon gar nicht, wenn sie auf den Abgrund zurennt.« Barak wischte sich über den Mund und nahm noch einen Schluck. Ich bemerkte seinen fast leeren Becher. »Immer mit der Ruhe.«
»Ich trinke nicht mehr viel. Das wisst Ihr wohl. Weil es mich von Tamasin trennte. Und es ist nicht immer leicht. Ihr habt gut reden, in dem Pfützchen Bier, das Ihr trinkt, ließe sich keine Maus ersäufen!«
Ich lächelte traurig. Ich trank tatsächlich nur mäßig. Sogar jetzt noch musste ich zuweilen daran denken, wie mein Vater nach dem Tode meiner Mutter seine Abende zechend im Wirtshaus zugebracht hatte. In meinem Bett liegend hatte ich ihn spät in der Nacht mit Hilfe der Knechte die Treppe heraufpoltern und sinnloses Zeug faseln hören und mir geschworen, niemals so zu enden. Ich schüttelte den Kopf. »Was hast du heute herausgefunden?«
»Ich glaube, mit Michael Calfhills Tod stimmt etwas nicht«, sagte er mit leiser Stimme. »Ich sprach mit Michaels Nachbarn, suchte den zuständigen Konstabler auf. Letzterer ist gesprächig wie ein altes Waschweib, also gab ich ihm einen aus. Da erzählte er mir, dass Michael mit ein paar Lehrburschen in der Gegend Verdruss hatte. Raufbolde, die in den Gassen herumlungern und nach französischen Spionen Ausschau halten.«
»Welche Art von Ärger?«
»Der Konstabler hörte, wie sie Michael mit zotigen Schimpfnamen belegten. Offenbar gefiel es den Burschen nicht, wie Michael sie ansah.«
»Wie hat er sie denn angesehen?«
»Als wäre er ihnen am liebsten in den Hosenlatz gekrochen.«
Ich riss die Augen auf. »Kein Wort davon bei der Anhörung. Was sagten die Nachbarn?«
»Im Erdgeschoss, unter Michaels Stube, wohnt ein junges Paar. Sie bekamen ihn nicht oft zu sehen, hörten ihn nur auf der Treppe und wenn er zuweilen in seiner Kammer auf und ab schritt. In der Nacht, in der er starb, wurden sie von einem plötzlichen Schlag geweckt. Der Ehemann ging nach oben, erhielt aber keine Antwort, also rief er den Konstabler. Der trat die Tür ein und fand Michael, der vom Dachbalken baumelte. Michael hatte einen Streifen aus dem Bettlaken geschnitten, sich eine Schlinge daraus gedreht, war alsdann auf einen Stuhl gestiegen und hatte ihn umgestoßen. Daher der Schlag.« Barak beugte sich aufgeregt zu mir vor. »Ob sie anschließend Schritte auf der Treppe gehört hätten, fragte ich die beiden weiter. Sie verneinten, aber Michaels Kammer befindet sich ja auch nur im ersten Stock, und der Konstabler meinte, das Fenster sei offen gewesen.«
»Im Sommer nicht weiter verwunderlich.«
»Ich sage doch nur, dass jemand zu Michael hätte einsteigen können, während er schlief, um ihn zu erwürgen und anschließend aufzuknüpfen.« Barak lächelte mir wie ehedem verschwörerisch zu. »Wir können uns die Kammer morgen ansehen, wenn Ihr wollt. Sie ist noch nicht neu vermietet. Der Konstabler hat den Schlüssel bei den jungen Eheleuten hinterlegt. Ich sagte ihnen, ich würde wiederkommen und jemanden mitbringen.«
»Ich will es mir überlegen. Und der Pfarrer?«
Er ist noch in derselben Kirche, St. Evelyn in der Fall Lane. Master Broughton. Er war nicht zu Hause, der Küster meinte, ich solle morgen um elf
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