Der Pfeil der Rache
den Bauch gelegt. Ihr Gesicht war tränennass, die Miene finster. Barak saß auf einem Stuhl an der Wand und blickte verschämt drein. Ich schaute von einem zum anderen. »Was ist denn los?«
Tamasin warf ihrem Gemahl einen bösen Blick zu. »Dieser Offizier war wieder da. Und Jack, der Esel, hat sich einfangen lassen.«
»Was? Sie suchen doch ledige Männer.«
»Er hatte den Mann provoziert. Und der hat es ihm heute heimgezahlt. Jack bildet sich ein, er könne sich alles erlauben, wähnt sich noch immer die rechte Hand von Thomas Cromwell, dabei ist er nur ein Schreiber.«
Barak zuckte zusammen. »Tammy –«
»Komm mir nicht mit Tammy. Sir, könnt Ihr uns helfen? Er soll in drei Tagen zum Cheapside Cross, um den Eid abzulegen.«
»Den Eid? Nicht einmal sein Können soll er unter Beweis stellen?«
Barak schaute mich an. »Er könne sehen, dass ich tauglich sei, hat er behauptet – bei bester körperlicher Verfassung und somit imstande, einige Unbilden zu ertragen. Und er wollte sich auf keinerlei Diskussionen einlassen, fing sofort an zu brüllen. Sagte, ich sei gemustert und damit Schluss.« Er seufzte. »Tammy hat recht, ich war unverschämt.«
»Ein Musterungsoffizier sollte die besten Männer anwerben, nicht seiner verdrießlichen Laune Genüge tun.« Ich seufzte. »Wie war sein Name?«
»Goodryke.«
»Also schön, ich will morgen zu Master Carver gehen, einem Mitglied im Stadtrat.« Ich sah Barak mit ernster Miene an. »Der Offizier verlangt wahrscheinlich eine gewisse Ablösesumme, das ist dir doch klar?«
»Wir haben ein wenig Geld beiseitegelegt«, sagte er kleinlaut.
»Ja«, fuhr Tamasin ihn an. »Für das Kind.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Er zuckte mit den Schultern. »Das kann ich getrost schon jetzt ausgeben. Sein Wert sinkt ohnehin jeden Tag. Ach verflucht, Tammy, jetzt fang nicht wieder an mit dem Gerotze –«
Ich hatte erwartet, dass Tamasin zurückschießen werde, aber sie seufzte nur und sagte leise: »Jack, ich wünschte, du könntest endlich sesshaft werden, dein Leben annehmen, wie es ist. Warum musst du dich immer mit allen Leuten anlegen? Warum kannst du nicht friedlich bleiben?«
»Es tut mir ja leid«, antwortete er zerknirscht. »Ich hätte vorher überlegen sollen. Alles wird gut, Master Shardlake wird uns helfen.«
Sie schloss die Augen. »Ich bin müde«, sagte sie. »Lass mich eine Weile in Ruhe.«
»Jack«, sagte ich schnell. »Lass uns hinausgehen und diesen Fall besprechen. Es gibt interessante Neuigkeiten. Ich weiß, wo wir ein Stück Pastete kriegen –« Barak zögerte, aber ich sah, dass er gut daran tat, Tamasin vorerst in Ruhe zu lassen.
Draußen schüttelte er den Kopf. »Was für ein Donnerwetter!«, sagte er.
»O ja. In Westminster war der Boden mit einer dicken Schicht aus Hagelkörnern bedeckt.«
Er wies mit dem Kopf auf das Haus. »Ich meinte da drin.«
Ich lachte. »Sie hat recht. Du bist unverbesserlich.«
* * *
Wir gingen zu einer Schenke, unweit des Newgate-Gefängnisses, die von Studenten und niederen Anwälten frequentiert wurde. Es herrschte darin bereits rege Betriebsamkeit. Mehrere Studenten saßen mit einem halben Dutzend Lehrburschen zechend um einen großen Tisch. Die Klassenschranken zwischen jungen Männern im wehrtüchtigen Alter verwischten allmählich, wie ich bemerkt hatte. Ihre Becher waren schon fast leer, und sie sangen das Lied, das beliebt geworden war nach unserem Sieg über die Schotten bei Solway Moss vor drei Jahren.
»König Jamey, Jemmy, Jocky mein Jo;
unsern König ließest kommen, warum nur, hoho –«
Und nun lauern die Schotten darauf, bei uns einzufallen, dachte ich, in Begleitung vieler tausend französischer Soldaten. Was wenig überraschend war, zumal der König drei Jahre lang ritterlich Krieg führte gegen ihre Königin Mary, die noch ein kleines Mädchen war. Während ich mir die Männer besah, entdeckte ich auch einen älteren unter ihnen und erkannte das narbige Gesicht und die Augenklappe meines Haushalters. Coldiron, hochrot im Gesicht, sang froh mit den anderen. Da fiel mir ein, dass er seinen freien Abend hatte.
»Geh und hol mir ein Bier und eine Pastete«, sagte ich zu Barak. »Ich setze mich dort hinüber.« Ich wies auf einen Tisch, der mittels einer Trennwand vom Rest des Raums abgeschirmt war.
Barak kam mit zwei Bechern Bier und zwei Hammelpasteten zurück. Er ließ sich schwer niedersinken und sah mich bedauernd an. »Es tut mir leid«, sagte er.
»Tamasin ist
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