Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
Vom Netzwerk:
ermitteln.« Ich klopfte auf meinen Beutel.
    Myllings Miene hellte sich auf. »Es ist eigentlich nicht mein Ressort. Aber ich weiß, wo die Akten lagern.« Er holte tief Luft und wandte sich an den jungen Schreiber. »Alabaster, wir müssen in die Moderkammer hinunter. Geht in die Küche und holt uns ein paar Laternen.«
    * * *
    Die Leute, die wartend auf der Bank gesessen hatten, waren fort. Mylling führte mich mit raschen, geschäftigen Schritten durch ein Labyrinth aus kleinen Räumen. In einem saß ein Schreiber vor zwei Haufen Goldmünzen; er übertrug Angels und Sovereigns von einem Haufen auf den anderen und vermerkte den Betrag in einem dicken Ordner.
    Wir stiegen eine steinerne Treppe hinunter und gelangten auf einen Absatz, von wo aus eine zweite Treppe noch tiefer in die Dunkelheit hinabführte. Wir befanden uns nun unterhalb der Gasse. Alabaster erwartete uns schon; er hielt zwei Hornlaternen mit Kerzen aus kostbarem Bienenwachs, die ein warmes gelbes Licht verstrahlten. Wie hatte er es bloß geschafft, fragte ich mich, vor uns hier unten zu sein?
    »Danke, Alabaster«, sagte Mylling. »Wir brauchen nicht lange.« Er wandte sich an mich. »Dies ist kein Ort, an dem man länger verweilen möchte als unbedingt nötig.«
    Der Jüngere verneigte sich und trottete mit langen Schritten davon. Mylling ergriff die Laternen und reichte eine an mich weiter. »Mir nach, Sir.«
    Ich folgte ihm also weiter die Stufen hinunter, behutsam, da sie uralt und in der Mitte schon ganz abgetreten waren. Unten befand sich eine mit Eisenbeschlägen versehene Pforte. »Hier wurde einst ein Teil des königlichen Schatzes aufbewahrt«, erzählte Mylling. »Die Räume stammen noch aus der Normannenzeit.« Er stellte die Laterne auf den Boden, drehte den Schlüssel im Schloss herum und stemmte sich mit beiden Händen gegen die schwere Tür, bis sie schließlich unter lautem Knarzen nachgab. Gleich neben der Pforte lag eine halbe Steinfliese, die Mylling mit der Schuhspitze in die Türöffnung stupste. »Nur um sicherzugehen, Sir. Könntet Ihr eine Laterne nehmen? Vorsicht mit den Stufen.«
    Als ich ihm die Treppe hinunter in den pechschwarzen Raum folgte, schlug mir ein Geruch von Moder und Feuchtigkeit entgegen, der mir schier den Atem raubte. Die Laterne leuchtete in eine kleine Kammer mit gepflastertem Boden. Irgendwo hörte man Wasser tropfen. Die Mauern waren von Schimmel überzogen. Auf feuchten Regalbrettern und übereinandergestapelten Holzkisten lagen bündelweise alte Dokumente, einige mit roten Siegeln versehen, die an bunten Linnenbändern baumelten.
    »Hier lagern die alten Akten«, sagte Mylling. »Wir platzen aus allen Nähten, sämtliche Räume sind belegt, also bewahren wir die Dokumente zu verstorbenen Mündeln oder zu solchen, die großjährig geworden sind und ihre Lehnsübertragung erwirkt haben, hier unten auf. Hier lagern auch die Gutachten zur Feststellung der Unzurechnungsfähigkeit.« Er drehte sich zu mir um, sein Gesicht im Licht der Lampen zerfurchter und zerschrammter denn je. »Schwachsinnige bringen kein Geld ein, müsst Ihr wissen.«
    Ich rümpfte die Nase ob der fauligen Luft. »Jetzt begreife ich, warum dies hier die Moderkammer ist.«
    »Niemand hält es lange Zeit hier aus, ein jeder fängt alsbald an zu husten und kann nicht atmen. Ich komme nicht gern hier herunter, zumal ich mir sogar im eigenen Hause den Husten zuziehe, wenn es im Winter sehr feucht ist. Es dauert nicht mehr lang, und sämtliche Dokumente kleben aneinander bei all dem Schimmel. Ich sage es immer wieder, aber man hört nicht auf mich. Gehen wir weiter, wenn’s recht ist. In welchem Jahr, sagtet Ihr, ist die Frau entmündigt worden, Sir?«
    »Fünfzehnsechsundzwanzig, glaube ich. Sie heißt Ellen Fettiplace. Und stammt aus Sussex.«
    Er sah mich gespannt an. »Liegt auch diese Angelegenheit der Königin am Herzen?«
    »Nein.«
    »Fünfzehnsechsundzwanzig. Damals war der König noch mit der Spanierin verheiratet. Er hat einigen Wirbel verursacht, als er wegen Anne Boleyn die Scheidung forderte.« Er gluckste keuchend in sich hinein. »Seither hat sich doch einiges verändert, wie?« Er bahnte sich einen Weg durch die Kisten bis in die hinterste Ecke. »Hier lagern die Geisteskranken«, sagte er vor einer Reihe von Regalen, auf denen sich feuchte Aktenbündel stapelten. Er hielt die Laterne in die Höhe und zog eines heraus. »Fünfzehnsechsundzwanzig.« Er legte die Schriftstücke auf den Steinboden, ging in die Hocke und

Weitere Kostenlose Bücher