Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
Vom Netzwerk:
der Makkabäer:
›Nach dem Sabbate aber gaben sie den Bedrängten, Witwen und Waisen Anteile der Beute …‹

    »Jetzt spielt Ihr den Prahlhans.«
    »Es kam mir nur eben in den Sinn, wie zynisch solch ein Wahlspruch in diesem Zusammenhang anmutet. Wer ihn an diese Stelle setzte, muss schon eine merkwürdige Art von Humor haben.«
    Barak war einen Augenblick still und sagte dann: »Da hätte ich einen Kandidaten.«
    »Wen?«
    »Einmal sagte Lord Cromwell zu mir, er wüsste eine Möglichkeit, wie der König in den Besitz eines großen Vermögens käme. Er solle das Klosterland als Ritterlehen vergeben, weil dann sämtliche Käufer unter das Vormundschaftsgesetz fielen.« Er blickte mich unverwandt an. »Der Mann, der ihn auf diese Idee brachte, war der Vorsitzende des Court of Augmentations und damit zuständig für die Ländereien der aufgelösten Klöster.«
    »Richard Rich.«
    »Er war bereits im früheren Office of Wards für die Lehnsübertragungen verantwortlich. Auf diese Art konnte er beide Ideen verbinden.«
    »Ich hatte schon vergessen, dass Rich früher mit Vormundschaften befasst war.«
    »Diese Ratte hat ihre schmutzigen Finger wirklich überall. Rich hat meinen Herrn verraten, obwohl dieser ihn ins Amt gebracht hatte. Er kehrte sich gegen Lord Cromwell, nachdem er die Gunst des Königs verloren hatte.« Barak ballte die Hand zur Faust.
    »Du erinnerst dich noch immer voller Zuneigung an Cromwell.«
    »O ja.« In seiner Stimme schwang Trotz. »Er war wie ein Vater für mich. Er holte mich von der Straße, als ich ein Knabe war. Wie könnte ich sein Andenken entehren?«
    »Er war beinhart. Brachte viele der harten Männer, die wir jetzt über uns erdulden, in Amt und Würden. Wie Sir William Paulet.«
    Barak rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. »Vieles von dem, was zu tun er mir auftrug, behagte mir nicht«, sagte er leise. »Dass ich ihm Spitzel und Informanten beschaffen musste, zum Beispiel, oder dass ich gelegentlich jemandem Angst einjagen musste, von dem er meinte, er hätte es nötig. Aber seine Widersacher bei Hofe waren um keinen Deut besser, sie hassten ihn nicht nur seines radikalen Glaubens, sondern vor allem seiner niederen Geburt wegen. Zuweilen denke ich mit Wehmut an jene Zeit zurück, an meine damaligen Pflichten. Sie gaben mir das Gefühl, am Leben zu sein.«
    »Und Tamasin? Gibt sie dir nicht dieses Gefühl? Die Aussicht auf das Kind?«
    Er sah mich ernsthafter an denn je. »O ja, mehr als alles andere. Aber es ist eine andere Art von Lebendigkeit. Ich weiß, dass ich nicht beides haben kann.« Er verstummte. Schließlich stand er auf. »Ich sollte nach Hause gehen, sonst kriege ich noch mehr Verdruss.«
    Jenseits der Trennwand wurde indes heiter gegrölt und gesungen. Ich wandte im Vorübergehen den Kopf beiseite, um Coldirons Blick auszuweichen. Einer der Studenten lag jetzt sturzbesoffen über dem Tisch. Wieder meldete Coldiron sich zu Wort:
    »Zwanzig Jahre war ich Soldat«, lallte er mit schwerer Zunge. »Ich war in Carlisle stationiert, in Boulogne, sogar im Tower. Alles im Dienste Seiner Majestät.« Er wurde laut. »Ich hab den schottischen König massakriert. Bei Flodden, jener berühmten Schlacht. Die schottischen Pikeniere kamen den Hügel herab auf uns zugestürmt, dahinter feuerten ihre Kanonen gegen uns, wir aber zuckten mit keiner Wimper.«
    »Wir Engländer kennen keine Furcht!«, rief einer der Studenten, und die übrigen zollten ihm klatschend Beifall.
    »Hattet Ihr nie das Verlangen, sesshaft zu werden, Master Coldiron?«, fragte einer der Lehrburschen.
    »Mit dieser hässlichen Fratze? Niemals. Und außerdem, wer will schon, dass eine Frau das Regiment führt? Kennt Ihr den Spruch: »Es gibt auf der Welt nur
eine
Kratzbürste, und ein jeder Kerl hat sie zur Frau!«
    Gelächter folgte uns, als wir hinausgingen. Und ich dachte bei mir, wenn Coldiron niemals verheiratet war, wer war dann Josephine?

kapitel sieben
    A m Morgen darauf machte ich mich gegen zehn auf den Weg zur Guildhall. Ich hatte Timothy am Abend zuvor mit einer Nachricht zu Ratsherr Carver geschickt, und er war mit der Antwort zurückgekehrt, dass Carver mich nicht früher empfangen konnte. Das war ärgerlich, zumal ich alle Hände voll zu tun hatte. Ich hatte Barak ausrichten lassen, dass ich ihn um elf vor der Kirche St. Evelyn treffen würde.
    Nach dem Morgenbrot legte ich erneut meine beste Robe an, dazu Bundhaube und Hut, um Carver zu beeindrucken. Ich begab mich in die Stube,

Weitere Kostenlose Bücher