Der Pilot von der Donau
Rauchfahne. Karl Dragoch wurde von innrer Unruhe verzehrt.
Wenn das auch bei Serge Ladko der Fall war, so ließ der davon doch nichts merken. Immer über die Riemen gebeugt, trieb er die Jolle unermüdlich vorwärts, stets aufmerksam, dem fahrbaren Weg zu folgen, den zwischen den niedrigen, sumpfigen Ufern ihm nur seine lange Erfahrung zu erkennen erlaubte.
Sein unbeugsamer Mut sollte auch belohnt werden. Am Nachmittag desselben Tages gegen fünf Uhr wurde endlich, zwölf Kilometer unterhalb der befestigten Stadt Kilia, eine Schute sichtbar. Serge Ladko legte die Riemen ein und nahm ein Fernrohr, womit er das Fahrzeug genau besichtigte.
»Ja, das ist er! rief er, das Instrument absetzend, mit erstickter Stimme.
– Sind Sie dessen sicher?
– Ganz sicher, behauptete Serge Ladko. Ich habe dort Jackel Semo, einen geschickten Rustschuker Lotsen erkannt, einen Juden, der sich in den Fängen Strigas befindet und ohne Zweifel dessen Schiff leitet.
– Was werden wir nun beginnen?« fragte Karl Dragoch.
Serge Ladko antwortete nicht gleich; er sann nach. Da fuhr der Detektiv fort:
»Wir müssen wohl nach Kilia und im Notfall nach Ismail zurückkehren und uns dort Verstärkung holen.«
Der Pilot schüttelte verneinend den Kopf.
»Nach Ismail, dem Strom entgegen, meinte er, oder auch nur bis Kilia zurückzufahren, das erforderte zu lange Zeit. Die Schute würde da einen weiten Vorsprung gewinnen und draußen auf dem Meere nicht mehr zu finden sein. Nein, bleiben wir bis zum Abend hier. Ich habe eine Idee. Bewährt sie sich nicht, so folgen wir dem Flußarme weiter, und wenn wir den Ankerplatz der Schute kennen, holen wir Hilfe aus Sulina.«
Um acht Uhr war es völlig dunkel geworden. Serge Ladko ließ die Jolle bis auf zweihundert Meter von der Schute hinabgleiten und warf dann vorsichtig den Anker aus. Ohne ein Wort der Erklärung an Karl Dragoch, der seinem Beginnen voller Verwundrung zusah, entledigte er sich nachher der Kleidung und sprang in den Strom.
Mit kräftigem Arm zerteilte er hier das Wasser und schwamm in gerader Richtung auf die Schute zu, die er in der Dunkelheit unklar vor sich sah. Als er weit genug, um nicht bemerkt zu werden, über diese hinaus war, schwamm er zurück, kämpfte sich durch die schnelle Strömung hindurch und es gelang ihm, sich an der breiten Hacke des Steuerruders anzuklammern. Hier lauschte er. Fast unhörbar bei dem Vorüberrauschen des Wassers an den Wänden der Schule schlug eine Tanzmelodie ihm ans Ohr und über ihm sang einer mit gedämpfter Stimme. Serge Ladko, der sich mit Händen und Füßen an der schlüpfrigen Oberfläche des Holzes festhielt, gelang es nach und nach, bis zum Oberteile der Hacke hinaufzuklettern, von wo aus er Jackel Semo deutlich erkennen konnte.
An Bord war jetzt alles still. Aus dem Volkslogis, in das sich Iwan Striga zurückgezogen hatte, drang kein Laut hervor. Auf dem Vordeck ausgestreckt, plauderten fünf Mann von der Besatzung ruhig miteinander. Auf dem Hinterteile befand sich Jackel Semo ganz allein. Er war auch auf das Dach des Volkslogis gestiegen und hatte sich hier auf die Ruderpinne gesetzt, wo er sich, ein Lieblingslied summend, im nächtlichen Frieden sanft schaukeln ließ.
Plötzlich verstummte das Lied. Zwei Eisenfäuste klammerten sich um den Hals des Sängers, der über das Hackbord hinunterstürzend, quer über das Steuer fiel. War er gar tot? Beine und Arme schlenkernd, hing sein lebloser Körper wie ein Stück Wäsche zu beiden Seiten der schmalen Unterlage hinunter. Serge Ladko hob ihn davon ab und ergriff den Mann am Gürtel. Dann stemmte er die Knie nur schwächer an die Steuerhacke und ließ sich mit seiner Last langsam ins Wasser hinabgleiten.
Auf der Schute hatte niemand etwas von dem Überfalle bemerkt. Iwan Striga war aus dem Volkslogis nicht herausgekommen, und auf dem Vorderteile setzten die fünf Leute ihre Unterhaltung wie früher fort.
Serge Ladko schwamm inzwischen auf die Jolle zu. Der Rückweg war freilich anstrengender als der Hinweg. Außer daß er dem Strom entgegen schwimmen mußte, hatte er ja auch noch den bewußtlosen Jackel Semo zu halten. Wenn dieser nicht tot war, so fehlte wenigstens nicht viel daran. Das kühle Wasser hatte ihn nicht zum Bewußtsein gebracht, wenigstens bewegte er sich nicht. Serge Ladko fing an zu fürchten, daß er wohl etwas zu stark zugefaßt hätte.
Während fünf Minuten hingereicht hatten, bis zur Schute zu schwimmen, bedurfte es über eine halbe Stunde, denselben Weg in
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