Der Piratenfuerst
Ordnung.« Ernsthaft nickte er den Marineinfanteristen zu. »Wenn ich ein bißchen Autorität ablegen kann, dann können Ihre Leute das bestimmt auch.« Der Sergeant sammelte die roten Röcke und die Tschakos ein, und der Ehre war offenbar Genüge getan. Trotzdem fügte er noch hinzu: »Außerdem wird es eine schwierige Kletterei geben, und wer weiß, was danach kommt.«
Einen Moment noch überblickte er die schwankenden Boote und dachte nach, was er wohl vergessen haben könnte. Halblaut sagte Herrick: »Viel Glück, Sir.«
Bolitho warf noch einen Blick auf die Männer am Fallreep und in den Wanten. »Auch Ihnen, Thomas. Halten Sie die Leute in Alarmbereitschaft, Wache um Wache. Sie wissen, was Sie zu tun haben.« Er sah, wie Armitage zwischen den Rudergasten in der Gig herumstolperte. Es war beinahe grausam, ihn mitzunehmen. Und obendrein ein Risiko. Aber irgendwann mußte er ja mal anfangen. Wenn jemand so eine Mutter hat wie Armitage, dachte er, dann ist es überhaupt ein Wunder, wenn er zur See geht. Wäre Keen an Bord gewesen, hätte er den mitgenommen. An der Reling stand Penn und sah sehnsüchtig auf die Boote hinunter. Der wäre mit Freuden mitgefahren.
»Tiger« nennen ihn die Matrosen, dachte Bolitho amüsiert.
Dann kletterte er in die Gig. Diesmal wurde nicht Seite gepfiffen. Ein Gefühl der Spannung überkam ihn, als die Boote ablegten. »Nehmen Sie die Spitze, Allday!« befahl er. Bei jedem Schlag der Riemen stiegen die felsigen Klippen höher und höher aus dem Wasser, und Bolitho konnte die starke Unterströmung spüren. Die Dünung brach sich und sprang als schäumende Brandung auf den Strand. Achteraus stampfte der Kutter durch das glitzernde Sprühwasser; über den Schultern der Rudergasten schwankte Davys Kopf. Auch der Leutnant spähte aufmerksam zur Insel hinüber. Woran mochte er denken? Daß er auf diesem gottverlassenen Fleck seinen Tod finden könnte? Oder daß er dem so dringend benötigten Prisengeld einen Schritt näher sein mochte? Bolitho wischte sich die Spritzer vom Gesicht und konzentrierte sich auf die schnelle Anfahrt. Im Augenblick war die Gefahr des Ertrinkens größer als jede andere.
Allday stand halbgebückt, umfaßte eisern mit der einen Hand die Ruderpinne, visierte über Heck und Bug, berechnete den Rhythmus der wütenden Brandungswellen, die schräge Linie der Brecher, die brüllend zwischen die dunklen Klippen schlugen. Ihn brauchte man nicht zu warnen. Jedes Dreinreden würde ihn nur verwirren, und das könnte katastrophale Folgen haben.
»Mächtig steile Küste, Captain«, warf er hin. Sein kraftvoller Körper glich die Schwankungen des Bootes aus. »Am besten schnell rein, im letzten Moment 'rum mit dem Bug, und dann mit der Welle breitseits auf den Strand. Was halten Sie davon, Captain?«
»Sehr schön«, lächelte Bolitho. Dann würden sie überdies Zeit haben, um auszusteigen und dem nachkommenden Kutter zu helfen.
Ihm wurde plötzlich kühl. Sie waren bereits im Schatten der Klippen; der Wellenschlag, das Knirschen der Riemen in den Duchten hallte von den Steinen wider. Es hörte sich an, als sei ein drittes unsichtbares Boot in der Nähe.
Sie rutschten beinahe über die letzte Welle; verzweifelt versuchten die Rudergasten, Schlag zu halten.
»Jetzt!« brüllte Allday und riß die Ruderpinne herum.
»Stauwasser an Backbord«, meldete er.
Gefährlich dümpelnd und krängend setzte die Gig beinahe breitseits auf den Strand, der Kiel pflügte mit protestierendem Knirschen und Zittern durch Kiesel und Tang. Doch schon sprangen die Männer in den Schaum, packten das Dollbord und brachten die Gig mit purer Muskelkraft ins Sichere.
»Alles raus!« Allday stützte Bolitho am Arm, als sie alle miteinander durch die Wellen aufs feste Land wateten.
Bolitho eilte zum Fuße der Klippe und überließ Allday die Aufsicht über die Sicherung des Bootes. Er winkte den drei Marineinfanteristen. »Ausschwärmen! Seht zu, ob ihr einen Weg zum Gipfel findet!« Sie begriffen sofort und eilten, ohne sich nach dem näherkommenden Kutter umzublicken, den geröllbedeckten Abhang empor, die geladenen Musketen schußfertig im Arm.
Gespannt sah Bolitho zu dem gezackten Felsgrat empor.
Blaßblau wölbte sich der Himmel darüber. Keine spähenden Köpfe tauchten auf, keine plötzliche Musketensalve prasselte herab. Sein Atem ging jetzt ruhiger. Er wandte sich um und beobachtete den ankommenden Kutter, der herumschwang und mit dumpfem Aufschlag zwischen den wartenden Matrosen auf
Weitere Kostenlose Bücher