Der Piratenfuerst
Sie mit der gebotenen Aufmerksamkeit behandelt?«
»Gewiß, danke. Er spricht ausgezeichnet englisch.«
»Stimmt. Auch deswegen habe ich ihn für mein Schiff ausgesucht. Er ist mit einer Engländerin verheiratet.« Er lachte kurz auf. »Sie sind natürlich nicht verheiratet. Wie wäre es mit einer französischen Braut für Sie?«
Er stieß die Tür auf und wartete gespannt, was Bolitho wohl sagen würde. Die Kajüte war geräumig und gut möbliert und wie das ganze Schiff ein bißchen unordentlich. Eben bewohnt.
Aber Bolithos Aufmerksamkeit wurde sofort von einer üppig gedeckten Tafel in Anspruch genommen.
»Das meiste davon sind einheimische Produkte«, bemerkte Le Chaumareys und tippte mit der Fingerspitze auf eine große Fleischkeule. »Das hier zum Beispiel ist fast dasselbe wie geräucherter Schinken. Man muß sich sattessen, solange man noch kann, eh?« Wieder lachte er kurz auf, und jetzt sah Bolitho auch, daß dieses Lachen aus einem ziemlich großen Bauch kam. Er begann: »Ich bin hier, um Ihnen...«
Der Franzose drohte ihm tadelnd mit einem Finger. »Sie sind an Bord eines französischen Schiffes, m'sieur. Erst trinken wir.« Auf einen kurzen Kommandoruf eilte ein Diener aus der Nebenkajüte mit einem hohen Kristallkrug Wein herbei. Der Wein war ausgezeichnet und kühl wie Quellwasser. Bolitho blickte vom Krug zum Tisch. Echt? Oder noch ein Trick, um zu demonstrieren, wie überlegen sie waren, selbst was Verpflegung und Getränke betraf?
Man brachte einen Stuhl für ihn, und als sie Platz genommen hatten, schien Le Chaumareys etwas aufzutauen. »Ich habe von Ihnen gehört, Bolitho«, sagte er. »Für einen so jungen Offizier haben Sie schon allerhand geleistet.« Ohne jede Verlegenheit fügte er hinzu: »Es war immerhin schwierig für Sie, diese unglückselige Affäre mit Ihrem Bruder...«
Bolitho beobachtete ihn gelassen. Le Chaumareys war ein Mann, den er verstand wie einen Duellgegner: scheinbar lässig, entspannt – aber im nächsten Moment unvermutet zustoßend.
»Vielen Dank für Ihr Mitgefühl«, erwiderte er.
Le Chaumareys' kleiner Kopf nickte heftig. »Sie hätten während des Krieges in diesen Gewä ssern sein sollen. Unabhängig und für keinen Admiral erreichbar – das wäre etwas für Sie gewesen.«
Bolitho merkte, daß ihm der Diener wieder einschenkte. »Ich bin gekommen, um mit Muljadi zu reden.«
Er faßte sein Glas fester. Das hatte er so einfach ausgesprochen, als hätten ihm diese Worte seit Monaten im Sinn gelegen und wären ihm nicht eben erst eingefallen.
Verdutzt starrte Le Chaumareys ihn an. »Sind Sie verrückt?
Wissen Sie, was er mit Ihnen machen würde? In einer Minute würden Sie um den Tod betteln, und ich könnte Ihnen nicht helfen. Nein, m'sieur, es ist blanker Irrsinn, daran auch nur zu denken.«
Gelassen erwiderte Bolitho: »Dann gehe ich wieder an Bord meines Schiffes.«
»Aber was ist mit Admiral Conway und seinen Depeschen? Hat er Ihnen nichts für mich mitgegeben?«
»Das ist jetzt überholt.« Bolitho achtete genau auf Le Chaumareys' Miene. »Außerdem sind Sie nicht als französischer Kapitän hier, sondern als Muljadis Untergebener.«
Le Chaumareys nahm einen tiefen Zug aus seinem Glas und kniff die Augen vor dem einfallenden Sonnenlicht zusammen.
»Hören Sie mich an«, sagte er bestimmt. »Zügeln Sie Ihre Ungeduld. Ich mußte es auch, als ich so alt war wie Sie.« Er blickte sich in der Kajüte um. »Ich habe meine Befehle, denen ich gehorchen muß, so wie Sie den Ihren. Aber ich habe Frankreich gut gedient, und hier in Indien ist meine Zeit fast um. Vielleicht waren meine Dienste zu wertvoll, als daß man mich früher nach Hause gelassen hätte; aber das sei, wie es wolle. Ich kenne diese Gewässer wie meine Hosentasche. Den ganzen Krieg hindurch habe ich von diesen Inseln leben müssen – Verpflegung, Wasser, Unterschlupf bei Reparaturen und Informationen über Ihre Patrouillen und Geleitzüge. Als mir befohlen wurde, in eben diesen Gewässern weiterzumachen, hat mir das nicht gepaßt, aber wahrscheinlich fühlte ich mich trotzdem geschmeichelt. Man brauchte mich also noch – im Gegensatz zu manchen Leuten, die auch tapfer kämpften und jetzt nichts zu essen haben.« Er blickte Bolitho scharf an. »Wie das auch in Ihrem Lande zweifellos der Fall ist.«
»Ja«, gab Bolitho zu, »es ist ziemlich dasselbe.«
Le Chaumareys lächelte. »Aber dann, mein ungestümer Freund, dürfen wir beide nicht gegeneinander kämpfen! Wir sind einander zu
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