Der Piratenfuerst
ähnlich. In der einen Minute braucht man uns, in der nächsten wirft man uns weg.«
Kalt erwiderte Bolitho: »Ihre Aktionen haben viele Menschenleben gekostet. Wären wir nicht gekommen, so wäre die ganze Besatzung von Pendang Bay umgebracht worden; das wissen Sie ganz genau. Eine spanische Fregatte wurde vernichtet, um uns aufzuhalten, nur damit dieser sogenannte Fürst Muljadi seiner Seeräuberei einen Anstrich von Legalität geben und als offizieller Verbündeter Frankreichs ständig den Frieden bedrohen kann.«
Le Chaumareys zog die Brauen hoch. »Gut gesprochen. Aber an der Vernichtung der Nervion hatte ich keinen Anteil.« Er hob seine mächtige Faust. »Gehört habe ich natürlich davon. Ich höre vieles, was mir nicht gefällt. Deswegen habe ich den spanischen Kommandanten hergeholt, um mit ihm über die Sicherheit seiner Garnison zu verhandeln. Er war immer noch der Repräsentant seines Königs und hätte Vereinbarungen treffen können, die Muljadi gewisse Rechte in Pendang Bay gegeben hätten – wenn Sie nicht dazwischengekommen wären.« Jetzt wurde er sehr ernst. »Ich wußte nicht, daß im selben Moment, als ich mit ihm die Bay verlassen hatte, ein Angriff auf den Stützpunkt begann. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort als französischer Offizier.«
»Und ich nehme es an.« Bolitho versuchte, ruhig zu bleiben, aber das Blut prickelte ihm in den Adern wie Eiswasser. Genau wie er es sich gedacht hatte: ein fertiger, ausgeklügelter Plan, der vielleicht schon in Europa begonnen hatte, in Paris und London, in Madrid sogar, und der beinahe geklappt hätte. Wenn er sich nicht entschieden hätte, die wenigen Überlebenden der Nervion und seine Undine nach Pendang Bay zu segeln, und wenn Puigserver nicht ebenfalls dorthin gelangt wäre, so wäre die Sache erledigt gewesen, und Le Chaumareys wäre bereits nach getaner Arbeit – und gut getaner Arbeit – auf dem Weg in seine Heimat.
»Ich bin gekommen, um den Kommandanten zu seinen Landsleuten zurückzubringen«, sagte er, und seine Stimme klang ihm selbst fremd. »Don Luis Puigserver, der Repräsentant des Königs von Spanien, erwartet seine Rückkehr.« Seine Stimme wurde schärfer. »Ist Colonel Pastor überhaupt noch am Leben? Oder gehört auch sein Tod zu den Tatsachen, die Sie wissen, aber nicht billigen?«
Le Chaumareys erhob sich und ging schweren Schrittes zum Heckfenster. »Er ist hier, als Gefangener Muljadis. In der Ruine dort drüben. Muljadi wird nie gestatten, daß Sie ihn mitnehmen, tot oder lebendig. Solange Pastor hier ist, haben Muljadis Forderungen den Anschein der Legalität. Mit Pastor hat er einen klaren Beweis dafür in der Hand, daß England sein Wort nicht halten und die Rechte der Spanier nicht schützen kann. Sie meinen, das sei unglaubwürdig? Zeit und Entfernung können aus jeder Wahrheit eine Farce machen.«
»Aber warum sollte Muljadi dann Angst haben, mit mir zu sprechen?« Der Franzose wandte sich bei diesen Worten vom Fenster ab; sein Gesicht war tief gefurcht und grimmig. »Ich sollte meinen«, fuhr Bolitho fort, »es würde ihm eher daran liegen, mir seine Macht zu demonstrieren.«
Le Chaumareys durchquerte die Kajüte; unter seinem Gewicht knarrten die Decksplanken. Er blieb bei Bolithos Sessel stehen und sah ihm starr in die Augen. »Muljadi und Angst? Nein, ich habe Angst, und zwar um Sie, Bolitho. Hier draußen, an Bord meiner Argus, bin ich Muljadis Arm, seine Waffe. Für ihn bin ich nicht bloß ein Seekapitän, sondern ein Symbol: der Mann, der seine Pläne in die Wirklichkeit umsetzen kann. Aber außerhalb dieser Planken kann ich für Ihre Sicherheit nicht garantieren, und das ist bitterer Ernst.« Er zögerte. »Aber ich verschwende meine Zeit, wie ich sehe. Sie sind also immer noch entschlossen?«
Bolitho lächelte grimmig. »Ja.«
»Ich habe viele Engländer getroffen, in Krieg und Frieden.
Manche mochte ich, andere konnte ich nicht ausstehen. Sie bewundere ich.« Er lächelte trübe. »Sie sind ein Narr, aber tapfer. So einen Mann kann ich bewundern.«
Er läutete eine Glocke und deutete auf die Tafel. »Und Sie wollen wirklich nichts essen?«
Bolitho griff nach seinem Hut und erwiderte: »Wenn es so ist, wie Sie sagen, wäre es pure Verschwendung, oder?« Er mußte dabei lächeln, obwohl er kaum klar denken konnte. »Und wenn nicht – nun, dann muß ich mich eben in Zukunft weiter mit Salzspeck begnügen.«
Ein großer, schlanker, dünnhaariger Offizier trat in die Kajüte, und Le Chaumareys sagte
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