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Der Piratenfuerst

Der Piratenfuerst

Titel: Der Piratenfuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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überall, Kleider über Möbel und Kanonen geworfen, als wären Einbrecher an Bord gewesen. Mrs. Raymond war groß und schlank; nicht das kleinste Lächeln erhellte ihr Gesicht. Offenbar war sie wütend.
    »Du hättest mit dem Auspacken noch warten sollen, Violet!«
    rief ihr Gatte erschrocken. »Hier ist unser Kapitän.«
    Bolitho verbeugte sich kurz. »Richard Bolitho, Ma'am. Ich hatte Ihrem Gatten gegenüber eben erwähnt, daß eine Fregatte nur wenig Bequemlichkeit zu bieten hat. Aber da Sie mit uns zu segeln wünschen, werde ich selbstverständlich alles tun, was...« Er kam nicht weiter.
    »Wünschen?« Ihre Stimme klang heiser vor Wut. »Bitte geben Sie sich keiner Täuschung hin, Captain! Mein Mann will nicht, daß ich auf der Nervion reise.« Sie verzog den Mund vor lauter Verachtung. »Er fürchtet um meine Ehre, wenn ich bei einem spanischen Edelmann an Bord bin!«
    Bolitho bemerkte, daß sich Noddall nervös in der Speisenische herumdrückte, und blaffte ihn ärgerlich an: »Helfen Sie Mrs. Raymonds Zofe, all dieses... –«, er blickte sich hilflos um, – »dieses Geschirr zu verstauen!« Raymond ließ sich mittlerweile schwer wie ein Sterbender auf die Sitzbank fallen. Kein Wunder, daß er so mitgenommen aussah. »Und lassen Sie dem Ersten Leutnant ausrichten, daß ich ihn sprechen will!« Er sah sich in der Kajüte um und sprach seine Gedanken laut aus.
    »Wir müssen die Zwölfpfünder vorübergehend herausnehmen und statt dessen Attrappen montieren.«
    Raymond sah stumpfen Blickes hoch. »Attrappen?«
    »Hölzerne Kanonenrohre. Damit es so aussieht, als ob wir voll armiert wären.«
    Herrick erschien in der Tür. »Sir?«
    »Wir müssen ein paar Behelfswände errichten, Mr. Herrick, damit unsere Passagiere ein Schlafabteil erhalten. An Backbord, denke ich.«
    »Nur für mich und meine Zofe, bitte«, sagte Mrs. Raymond kalt und warf einen uninteressierten Blick auf ihren Gatten. »Er kann irgendwo anders auf diesem Schiff schlafen.«
    Herrick betrachtete sie aufmerksam und sagte: »Also dann schläft Mr. Raymond an Steuerbord. Aber was wird mit Ihnen, Sir?«
    Bolitho seufzte. »Ich nehme den Kartenraum.« Und mit einem Blick auf das Ehepaar: »Wir werden zusammen speisen, wenn Sie nichts dagegen haben.« Keiner von ihnen gab eine Antwort. Midshipman Keen trat an der offenen Tür von einem Fuß auf den anderen und ließ kein Auge von den beiden Frauen.
    »Mr. Soames läßt respektvoll melden, Sir, daß der Kapitän der Nervion an Bord kommt«, sagte er.
    Bolitho fuhr herum und fluchte leise, denn er hatte sich das Schienbein an einem der schweren Koffer gestoßen. Mit zusammengebissenen Zähnen sagte er: »Ich werde mich bemühen, ihm die geziemende Gastfreundschaft zu erweisen, Mr. Herrick.«
    Herrick verzog keine Miene. »Gewiß, Sir.«
    Der Morgen graute bereits, als Bolitho müde in seine Koje sank. Der Kopf rauchte ihm noch von der Bewirtung des Capitan Triarte und seiner Offiziere. Später hatten sie ihn überredet, mit auf die Nervion zu kommen; und Triarte hatte es sich nicht nehmen lassen, sein geräumiges Schiff mit der beengten Undine zu vergleichen. Aber es hatte bei den Raymonds nichts genützt. Nun war wieder Ruhe an Bord, und Bolitho versuchte, sich Mrs. Raymond vorzustellen, wie sie hinter der neugezogenen Wand schlummerte. Er hatte sie in der Kajüte beobachtet, als die spanischen Offiziere an Bord waren. Hoheitsvoll, aber charmant; und aus den Gefühlen, die sie für ihren Gatten hegte, machte sie durchaus kein Hehl. Eine gefährliche Frau, wenn man sie zur Feindin hatte, dachte er.
    Wie still das Schiff war. Vielleicht waren alle, wie er selbst, zu müde, um sich auch nur zu rühren. Die Geschütze der Kapitänskajüte waren mit großen Schwierigkeiten unter Deck gefiert worden. Um die richtige Trimmung wieder herzustellen, mußte Proviant und schweres Geschirr nach achtern geschafft werden. Nun wirkte die Kajüte ohne die Geschütze viel größer, aber er würde nicht viel davon haben. Er grub seinen schmerzenden Kopf ins Kissen, und das war so anstrengend, daß ihm der Schweiß ausbrach. Eins war sicher: kaum jemals hatte er so viel Ursache gehabt, eine Reise zu beschleunigen.
    Bei Tageslicht war er wach und aus der Koje; es drängte ihn, seine Arbeit zu erledigen, ehe die Hitze das Denken erschwerte. Am späten Nachmittag, unter den fernen Klängen einer Militärkapelle und dem Geschrei der Menge, die sich am Ufer zusammengefunden hatte, lichtete die Undine Anker. Hinter der

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