Der Piratenfuerst
spürte? Dann hätte die Undine vermutlich das Schicksal des Spaniers geteilt. Obwohl sich kein Luftzug in der Kajüte regte, lief es ihm kalt den Rücken hinunter.
Irgendwo hinter dem Schott schrie ein Mensch: ein dünner, langgezogener Laut, der plötzlich abriß, als sei eine Tür zugeschlagen worden. Whitmarsh wischte sich die Hände an der Schürze ab und richtete sich auf; er mußte den Kopf einziehen, um nicht an die Decksbalken zu stoßen. Dann sagte er: »Don Puigserver wird in nächster Zeit Ruhe haben; ich muß mich um meine anderen Patienten kümmern.« Er schwitzte furchtbar, und an seinem linken Mundwinkel zuckte ständig ein Muskel.
Bolitho nickte. »Ja, danke. Und lassen Sie es mich bitte wissen, wenn Sie irgend etwas brauchen.«
Vorsichtig betastete der Arzt die Verbände des Spaniers.
»Gottes Hilfe vielleicht.« Er lächelte melancholisch. »Hier draußen haben wir wenig anderes.«
Als er und der Sanitätsgast gegangen waren, murmelte Puigserver: »Ein Mann mit eigenen Problemen, Capitan.« Schmerzlich verzog er das Gesicht dabei. »Aber immerhin ein sanfter Mann, trotz seines Berufs.«
Allday war dabei, ein Handtuch zusammenzufalten und ein paar unbenutzte Binden aufzurollen. »Mr. Raymond wollte Sie sprechen, Captain«, sagte er stirnrunzelnd. »Aber ich habe ihm erklärt, daß laut Ihrem Befehl die Kajüte gesperrt ist, bis der Arzt mit Don Puig –«, er hüstelte, »– mit dem spanischen Gentleman fertig ist.«
»Was wollte er?« Bolitho war so erschöpft, daß ihm ganz gleichgültig war, was Raymond wollte. Er hatte wenig von ihm gesehen, seit die Überlebenden aufgenommen worden waren, hatte nur gehört, daß er in die Offiziersmesse gegangen sei.
»Er wollte sich beschweren, Captain«, erwiderte Allday.
»Seiner Frau hat es nicht gepaßt, daß Sie sie aufgefordert haben, bei den Verwundeten zu helfen.« Wieder runzelte er die Stirn.
»Ich sagte ihm, Sie hätten Wichtigeres zu tun.« Damit nahm er seine Sachen und ging hinaus.
Puigserver lehnte sich zurück und schloß die Augen. Da sie jetzt allein waren, schien es ihm nichts mehr auszumachen, daß Bolitho sah, welche Schmerzen er wirklich litt.
»Ihr Allday ist ein bemerkenswerter Bursche«, meinte er.
»Mit ein paar hundert Männern von seiner Sorte könnte ich mir vorstellen, in Südamerika wieder einen Krieg anzufangen.«
Bolitho seufzte. »Er macht sich zu viele Sorgen.«
Puigserver öffnete die Augen wieder und entgegnete lächelnd: »Anscheinend denkt er, Sie sind es wert, daß man sich um Sie Sorgen macht, Capitan.« Er lehnte sich vor und fuhr mit plötzlichem Nachdruck fort: »Aber ehe Raymond und die anderen hereinkommen, muß ich mit Ihnen sprechen. Ich will Ihre Meinung über den Schiffbruch hören.«
Bolitho ging zum Schott hinüber und berührte seinen Degen, der dort hing. »Ich habe die ganze Zeit darüber nachgedacht, Senor«, sagte er. »Zuerst glaubte ich, die Brigantine sei ein Piratenschiff, dessen Kapitän so unter Druck stehe, daß er ein Gefecht brauchte, um seine Mannschaft zusammenzuhalten. Aber das kann nicht stimmen. Irgend jemand weiß von unserem Vorhaben.«
Der Spanier wandte kein Auge von ihm. »Die Franzosen vielleicht?«
»Kann sein. Wenn die französische Regierung unsere Schiffsbewegungen so genau verfolgt, dann müssen ihr die Depeschen der Fortunate unbeschädigt in die Hände gefallen sein. Es muß schon um etwas äußerst Wichtiges gehen, wenn sie sich auf ein so gefährliches Spiel einlassen.«
Puigserver griff nach der Weinflasche. »Ein Spiel, das sie gewonnen haben.«
»Dann sind Sie also derselben Meinung, Senor«. Bolitho beobachtete den Mann genau; jetzt, nachdem es dunkler geworden war, kam er ihm bleicher vor.
Puigserver gab keine direkte Antwort. »Falls – und ich sage ausdrücklich falls – jemand dies geplant hatte, dann muß dieser Jemand auch gewußt haben, daß es sich um zwei Schiffe handelte.« Er hielt einen Moment inne und befahl dann scharf: »Sagen Sie etwas, Capitan – schnell!«
Bolitho erwiderte: »Das würde keinen Unterschied machen. Dem Betreffenden wäre klar, daß es sich um eine gemeinsame Mission handelt. Ein Schiff kann ohne das andere nichts ausrichten, und...«
Puigserver klopfte sich mit dem Becher auf die Hüfte; der Wein schwappte über und befleckte seine Hose wie Blut. Erregt rief er aus: »Und? Weiter, Capitan! Was nun?«
Bolitho blickte zur Seite; er sagte nachdenklich: »Ich muß entweder nach Teneriffa oder nach England
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