Der Piratenfuerst
hat Glück gehabt, Sir.«
Bolitho blickte von Herrick zu Allday. »Ich habe Glück gehabt.« Dann ging er aus der Kajüte.
Allday schüttelte den Kopf und seufzte, und es roch noch stärker nach Rum. »Wenn Sie mich fragen, lassen Sie ihn lieber in Ruhe, Mr. Herrick, Sir.«
Herrick nickte. »Ich weiß. Aber er nimmt sich diesen Rückschlag sehr zu Herzen, obwohl ich keinen Kapitän kenne, der sich besser aus der Affäre gezogen hätte.«
Allday senkte die Stimme. »Aber ein Kapitän war heute besser. Und unserer wird nicht ruhen, bis er ihn wieder vor den Rohren hat.«
Keen stieß einen leisen Seufzer aus, und Allday schnauzte die Matrosen an: »Los, ran, ihr Faulpelze! Eine Schüssel neben seinen Kopf! Ich habe ihm so viel Rum in die Eingeweide gepumpt, daß er die ganze Kajüte vollkotzen wird, wenn er wieder aufwacht!«
Herrick schritt lächelnd zur Tür. Die Matrosen zurrten die Geschütze wieder fest und grinsten ihn an, als er vorbeiging. Einer rief: »Den Scheißkerlen haben wir's aber gezeigt, Sir, wie?«
Herrick blieb stehen. »Jawohl, das haben wir, Jungs. Der Captain ist stolz auf euch.«
Die Matrosen grinsten noch breiter. »Aye, Sir. Ich hab ihn gesehen. Mitten im dicksten Beschuß ist er rumspaziert, als ob er in Plymouth wäre. Hoho! Da hab' ich gewußt, wir schaffen es.«
Herrick kletterte nach oben in die Sonne und starrte auf die zerfetzten Segel. Wenn ihr wüßtet, dachte er trübe.
Die anderen Leutnants und die Deckoffiziere waren bereits auf dem Achterdeck versammelt und gaben ihre Meldungen ab. Bolitho lehnte am Großmast. Als er Herrick sah, meinte er: »Uns bleibt noch eine ganze Weile Tageslicht. Wir werden die zerschossenen Segel und das laufende Gut auswechseln lassen, so lange es noch hell ist. Ich habe Befehl gegeben, daß in der Kombüse Feuer gemacht wird. Die Leute sollen anständig zu essen bekommen.« Er deutete auf das schwerfällige Transportschiff, das nun knapp eine Meile entfernt war. »Wir könnten uns sogar von denen ein paar Helfer ausleihen, was?«
Herrick sah, daß die anderen nur halb zuhörten; sie waren noch abgestumpft von der Anstrengung und dem Schock, den sie erst jetzt richtig spürten. Vermutlich war es dieser andere Bolitho – kühl, selbstsicher, den Kopf schon wieder voll neuer Ideen -, den jener Matrose von der Geschützbedienung während des Gefechtes zu sehen geglaubt hatte.
Aber daß er, Herrick, den richtigen Bolitho kannte, der sich hinter dieser Maske verbarg, das machte ihn plötzlich so stolz, daß alle Erschöpfung von ihm abfiel.
Sturm
Wie ein Scherenschnitt stand die Gestalt des Konteradmirals vor dem farbenfrohen Viereck des Fensters; obwohl er Bolitho den Rücken zuwandte, konnte dieser erkennen, daß Conway vor Ungeduld fast zersprang. Draußen vor dem Fenster, still und friedlich im Spiel der in der Abendsonne ständig wechselnden Schatten, ankerten die Schiffe.
Die Undine lag etwas abseits von dem ungefügen Transporter und der kleinen Brigg; die Schäden, welche die Achtzehnpfünder der französischen Fregatte angerichtet hatten, waren nicht mehr zu erkennen. Gelegentlich, wenn das Stimmengewirr verstummte, hörte Bolitho das Klopfen und Hämmern, das Knirschen der Sägen – die Undine bot nur aus der Ferne einen so schmucken Anblick.
Nach der Hitze draußen in der Bucht kam es ihm in dem großen Raum mit den Balkenwänden kühl vor; obwohl die Männer, die darin saßen, so aussahen, als hätten sie sich seit ihrer letzten Begegnung kaum bewegt, hatte sich doch der Raum selber in der kurzen Zeit beträchtlich verändert. Es gab mehr Möbel, ein paar Teppiche, eine ganze Sammlung von blitzenden Karaffen und Gläsern – man hatte den Eindruck, in einer Wohnstätte zu sein, nicht mehr in einer belagerten Festung.
Don Luis Puigserver hockte auf einer messingbeschlagenen Truhe und nippte an seinem Wein. Ihm gegenüber saß James Raymond an dem mit Papieren bedeckten Schreibtisch und machte ein todernstes, verkniffenes Gesicht. Der Kapitän der Brigg, Hauptmann Vega von der ursprünglichen spanischen Garnison und zwei Offiziere der Bedford in roten Uniformen vervollständigten die kleine Versammlung. Einen der letzteren, einen breitgesichtigen Mann, der als Major Frederick Jardine vorgestellt worden war und die von Madras gekommenen Soldaten befehligte, erkannte Bolitho sofort wieder: er hatte ihn in Madras mit Viola Raymond zusammen gesehen. Jardine ließ die bösartigen kleinen Schweinsaugen kaum einen Moment von Bolitho. Der
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