Der Piratenlord
Gewissen ein Luxus war, den er sich nicht leisten konnte. Seine Mutter hatte ja nicht auf ihr Gewissen gehört. Und sein Vater auch nicht, als er ein siebenjähriges Kind gnadenlos mit dem Lederriemen verprügelt hatte. Und er selber hatte damals begriffen, dass er ohne Gewissen besser dran sein würde.
Sara ist mit ihren Tränen daran schuld, dachte er bitter, als er am Fluss entlang weiterging. Frauen benutzten Tränen ja, um das zu bekommen, was sie wollten. Seine Mutter hatte sich wahrscheinlich genauso verhalten, und er tat gut daran, sich ab und zu daran zu erinnern.
„Cap'n! “ schallte ein Ruf vom Strand zu ihm herauf und riss ihn aus seinen bedrückenden Gedanken. Barnaby und Silas warteten auf ihn.
Gideon beschleunigte die Schritte. „Was ist passiert?“
„Die Männer murren“, sagte Barnaby. „Sie sollen ja bis zur Hochzeit auf dem Schiff schlafen. Doch da sie jetzt auf der Insel sind, möchten sie wieder in ihren Häusern wohnen.“ Gideon erwiderte schulterzuckend: „Dann bringen wir eben die Frauen aufs Schiff. Wo ist das Problem?“
Barnaby und Silas tauschten rasch Blicke aus. Dann kratzte Silas sich am Kinn. „Das geht auch nicht. Die Frauen wollen auch nicht an Bord des Schiffes bleiben.“
„Es interessiert mich nicht, was sie wollen“, grollte Gideon. „Entweder bleiben sie auf dem Schiff, oder sie suchen sich Ehemänner aus. Da sie mit ihrer Wahl noch nicht so weit sind, werden sie bis zum Ende der Woche an Bord bleiben müssen.“ Und er würde die Wahl der Ehemänner ganz gewiss nicht beschleunigen, weil er damit Sara in die Arme diese verdammten englischen Matrosen treiben würde.
Er wollte sie natürlich nicht heiraten. Doch er wollte auch nicht, dass ein anderer Mann sie bekam.
Silas schien Gideons Antwort überhaupt nicht zu gefallen. „Die Frauen waren doch aber wochenlang an Bord. Das ist nicht gesund für sie. Jeder kann das sehen.“ Er hielt inne und blickte aufs Meer hinaus. „Nehmen Sie einfach nur die kleine Molly, die ein Kind bekommt. Es wäre doch hartherzig, sie auf dieser Schlafmatte schlafen zu lassen, wenn wir hier bequeme Betten haben. Es ist genauso, wie Louisa sagte. Die Frauen verdienen ein wenig . ..“ Er sprach den Satz nicht zu Ende, als er merkte, dass Gideon und Barnaby ihn anstarrten. „Was seht ihr mich so an?“
„Seit wann kümmert es dich, ob eine Frau in anderen Umständen es bequem hat?“ fragte Barnaby und nahm Gideon damit die Worte aus dem Mund. „Und seit wann hast du aufgehört, Louisa diese Frau' zu nennen? Sag nicht, dass Miss Yarrow dein erstarrtes Herz erweicht hat.“
Dunkle Röte stieg an Silas' Hals hinauf, bis sein bärtiges Gesicht rotbraun gesprenkelt aussah. „Hat sie nicht. Nur weil sie hin und wieder ein bisschen Verstand hat. . .“
Als Gideon und Barnaby in Gelächter ausbrachen, drehte er ihnen den Rücken zu und ging mit entschlossener Haltung am Strand entlang davon. „Ach, zur Hölle mit euch beiden. Es geht euch überhaupt nichts an, was ein Mann über eine Frau denkt.“
„Ich glaub es nicht“, sagte Gideon. „Silas Drummond hat sich von einer Frau einfangen lassen.“
„So würde ich das nicht nennen. Ich denke, er hat sich eher von ihr aus der Fassung bringen lassen. Keine Frau hat sich ihm je widersetzt. Sie haben sich meist vor ihm gefürchtet. . . oder haben sich abgestoßen gefühlt von seinem Holzbein und seiner Unfähigkeit, sie im Bett zu befriedigen. Doch seit Louisa mit ihm zu kämpfen begonnen hat, ist er wie ausgewechselt. Heute Morgen habe ich ihn sogar dabei erwischt, wie er sich Bayrum hinter die Ohren gegeben hat.“
„So gehen die Mächtigen dahin.“ Gideon wusste eines ganz genau: Er würde sich nie so dumm wegen Sara verhalten.
Niemals. Er sah Barnaby an. „Du wirst doch nicht auch den Kopf verlieren, oder?“
„Du solltest mich besser kennen. Natürlich mag ich Frauen, aber sie haben ihren Platz.“ Er grinste. „Vorzugsweise in meinem Bett.“
Gideon war einmal Barnabys Meinung gewesen. Nun fand er sie leicht unangenehm, und das störte ihn. „Also wirst du mich in nächster Zeit nicht wegen einer Ehefrau belästigen. Nicht, solange Queenie dir gibt, was du umsonst haben möchtest. “ „Wohl wahr. Doch ich versichere dir, dass die anderen Männer dir die Hölle heiß machen werden, bis sie ihre Frauen bekommen, vor allem, wenn du darauf bestehst, dass sie an Bord des Schiffes schlafen.“
„Ich habe kaum eine Wahl. Ich muss mir etwas einfallen lassen, um die
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