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Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Titel: Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klester Cavalcanti
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mich anschauen«, sagte Júlio später zu seinem Onkel. Er musste sich beruhigen, bevor er nach Hause kam, denn wenn die Eltern ihn so sähen, würden sie Verdacht schöpfen. Fünfhundert Meter vor seinem Dorf setzte er sich in den Schatten der Bäume, versuchte zu verschnaufen, und erst da fiel ihm auf, warum er so verzweifelt war. Die Sünde war es, die auf ihm lastete. Er hatte vergessen, zehn Ava-Marias und zwanzig Vaterunser zu beten – in genau dieser Reihenfolge –, um seine Seele zu reinigen. Er zog das Gewehr von der Schulter und legte es beiseite. Dann kniete er sich mitten im Urwald nieder und betete, peinlich darauf bedacht, keinen Fehler zu machen. Als er das zwanzigste Vaterunser gebetet hatte, öffnete er seine Augen in der Hoffnung, sich leichter zu fühlen. Aber nichts war anders. »Wahrscheinlich, weil ich gerade erst gebetet habe. Später wird alles gut«, redete er sich ein und ging weiter.
    Es war schon nach zwei Uhr. Dona Marina wusch Wäsche im Fluss. Seu Jorge war unterwegs, um im Wald Holz zu schlagen. Die Jungen, Pedro und Paulo, spielten im Wasser. Niemand achtete auf Júlio, als er ankam. Cícero schlief in seiner Hängematte. Júlio ärgerte sich darüber, wie entspannt er wirkte, der Mann, der ihn mit dem Mord an Amarelo beauftragt hatte. Während er den schlimmsten Moment seines Lebens durchmachte, schien Cícero im tiefsten Frieden mit sich selbst zu sein. Júlio hängte sein Gewehr an den Haken hinter der Tür und stieß mit dem rechten Fuß gegen Cícero. Der öffnete die Augen.
    »Und?«, fragte er. »Hast du Amarelo erwischt?«
    »Habe ich, Onkel. Das Unglück ist vollbracht.«
    »Hast du alles so gemacht, wie ich es gesagt habe?«
    »Alles. Ich habe ihn sogar den Piranhas vorgeworfen.«
    »Sehr gut. Und sein Boot?«
    »Das habe ich ausgewaschen und im Urwald versteckt.«
    »Sehr gut, Julão. Jetzt können wir ausruhen.«
    »Du scheinst schon seit einer ganzen Weile auszuruhen.«
    »Julão, ich bin krank, schon vergessen? Ich habe immer noch hohes Fieber und mir tut alles weh. Ich habe dich nur da mit hineingezogen, weil es nicht anders ging.«
    »Ich will das alles nur noch vergessen. Und komm mir nie wieder damit, einen Menschen für Geld umzubringen. Ich will nie wieder ein Wort darüber hören«, sagte der Junge bestimmt und mit erhobenem Zeigefinger.
    »Da kann ich dich beruhigen. Es wird nie wieder vorkommen.«
    Die Stunden vergingen, und Júlio fühlte sich schuldig. Sein Magen verkrampfte sich. Er hatte keinen Hunger. Am Abend machte Dona Marina Reis mit gebratenem Fleisch von dem Hirschen, den er erlegt hatte. Es war Júlios Lieblingsessen. Doch er nahm nur zwei Löffel und ging dann schlafen. Dona Marina machte sich Sorgen und wollte mit ihm reden, aber Júlio sagte, ihm sei nur schlecht, er fühle sich erschöpft und habe Kopfschmerzen. Als ihm Dona Marina die Hand auf die Stirn legte, stellte sie fest, dass er Fieber habe: »Mein armer Junge, jetzt hast du auch noch Malaria«, sagte sie so, dass alle es hören konnten. Doch Júlio hatte keine Malaria.
    Alle schliefen bereits. Júlio in seiner Hängematte und unter zwei Laken konnte die Gedanken an Amarelo nicht verscheuchen. Wenn er die Augen schloss, sah er den zerfetzten Körper des Fischers vor sich. Fast zwei Wochen lang konnte er nicht ruhig schlafen. Am Tag des Verbrechens selbst gelang es ihm erst, nachdem er unzählige Male sein Ritual mit den zehn Ave-Marias und den zwanzig Vaterunser wiederholt hatte. Dabei betonte er besonders das »Und vergib uns unsere Schuld« und ballte, den Blick zum Himmel gewandt, seine Fäuste. Nie mehr sollte er die letzten Worte vergessen, die er in dieser Nacht vor sich hin flüsterte. In seiner Hängematte hatte er Gott geschworen: »Nie mehr im Leben werde ich einen Menschen töten, Herr, nie mehr.«
    1   Xambioá: Stadt im Norden des Bundesstaates Tocantins an der Grenze zum Bundesstaat Pará. Am rechten Ufer des Rio Araguaia gelegen erlangte die Stadt Berühmtheit als ein Zentrum der historischen »Guerrilha do Araguaia«, einem der Versuche eines bewaffneten Widerstands gegen die brasilianische Militärdiktatur. Im Zuge zahlreicher Militäroperationen gegen die von der kommunistischen Partei Brasiliens (PCdoB) angeführte Guerilla wurden zwischen Ende der sechziger Jahre und dem Ende der Guerilla 1974 Hunderte Aktivisten und Guerilleros getötet. [Anm. d. Übers.]
    2   In Brasilien gilt seit 1940 ein staatlich festgelegter und stets an die Inflation angepasster

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