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Der Planet des Todes

Der Planet des Todes

Titel: Der Planet des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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erreicht, als ich mich umwandte, um dieses ungewöhnliche Planetarium noch einmal zu betrachten.
    „Das sieht doch aus wie das Firmament … Sterne …“, sagte ich, „was bedeutet aber diese aufzuckende grelle Linie?“
    Plötzlich fuhr ich zusammen. „Sehen Sie, dort! Die Erde!“
    Ich lief näher an den durchsichtigen Leuchtschirm heran, der inmitten der Verwüstung erhalten geblieben war. Aus dem Dunkel tauchte der Globus mit dem Perlenglanz ferner Wolken auf. Langsam drehte er sich um seine gegen die Ekliptik geneigte Achse. Über ihm hing dunkel der Neumond. Durch den sternenerfüllten Raum kam die mattleuchtende Kugel immer näher. Schon krümmte sich ihre Bahn. Aber da, ziemlich tief unter ihr, kreiste doch die Venus! Ich erkannte sie sofort an dem viel lichteren Glanz. Auf einmal zuckte ein blendendheller Strahl von der Venus empor, erreichte die Erde und überflutete mit grausigem Flammenschein das Wolkenmeer.
    „Was war das?“ flüsterte ich und packte Arsenjew am Arm. Er hob schweigend die Hand und wies auf etwas hin, was ich bis jetzt nicht bemerkt hatte: zwei seitlich in den Stein der Wand gemeißelte, durchgestrichene Ringe.
    „Was bedeutet das alles?“
    „Jetzt nichts mehr“, sagte Arsenjew, „gar nichts mehr … Es ist nur noch machtlose Bewegung eines einmal in Gang gebrachten Mechanismus, die weiterwähren wird …“
    Er brach ab, ohne den Satz zu vollenden, drehte sich um und trat in den dunklen Tunnel. Dieser war so schmal, daß man mit ausgestreckten Armen beide Wände berühren konnte. Wir stiegen über einige Stufen, die von kegelförmigen, nebeneinanderstehenden Vorsprüngen gebildet wurden. Der Tunnel verlief waagerecht. In der Ferne zeigte sich ein Licht, kam uns entgegen; es war der Widerschein unseres Reflektors. Eine Platte aus einer glasartigen Masse, die genau in den runden Querschnitt eingepaßt war, schloß den Tunnel ab. An der einen Seite der Wand war ein Wulst. Sollte dort ein Scharnier sein? Arsenjew stemmte sich gegen die Platte. Ob nun der Mechanismus nicht mehr funktionierte oder ob wir nicht verstanden, ihn zu betätigen – sie rückte und rührte sich jedenfalls nicht. Der Astronom dachte einen Augenblick nach, dann richtete er den Reflektor auf das Hindernis.
    Obwohl die glasige Masse einen großen Teil des Lichtes verschluckte, konnte man dahinter die Fortsetzung des Tunnels erkennen. Er erweiterte sich in Form eines Trichters.
    „Wenden wir den Strahlenwerfer an“, sagte Arsenjew.
    Wir zogen uns bis zur nächsten Biegung zurück. Arsenjew kniete nieder und forderte mich durch eine Handbewegung auf, das gleiche zu tun. Ich bemühte mich, das Hindernis nicht aus den Augen zu verlieren. Der Astronom stellte beim Licht des Reflektors die Entfernung ein, zielte und drückte ab. Ein gelbvioletter Blitz zuckte durch den Tunnel. Im Nu war die Platte rotglühend, große Risse durchzogen sie … Geblendet schloß ich die Augen. Als ich sie wieder öffnete, schoß Arsenjew zum zweitenmal. Scherben klirrten schrill und durchdringend. Wir warteten einige Minuten, bis sie abgekühlt waren. Arsenjew trat als erster in den erweiterten Teil des Tunnels. Plötzlich blieb er stehen und hob warnend die Hand.
    „Vorsicht!“
    Aus der Tiefe kam ein leiser Luftzug. Dann war es für eine Weile vollkommen still. Gleich darauf bewegte sich die Luft wieder, aber in entgegengesetzter Richtung.
    „Atem“, flüsterte ich unwillkürlich.
    Diese Luftzüge wiederholten sich regelmäßig. Arsenjew stand nachdenklich da und überlegte, was wir beginnen sollten, dann sagte er leise: „Den Strahlenwerfer. Ich lockerte den Schulterriemen, wickelte ihn um das Handgelenk und hielt mich so dicht hinter Arsenjew, daß ich seinen Rücken berühren konnte.
    Plötzlich wurde es dunkel um mich. „Bücken Sie sich!“ raunte mir Arsenjew zu. „Hier wird es eng!“
    Das Rauschen der Luft, die uns umströmte, zog immer näher. Es war genau die Zeitspanne eines langsamen Ausatmens. Arsenjew stieß mit dem Rucksack an die Decke. Er versuchte, sich durch den Gang zu zwängen, trat aber dann einen Schritt zurück. Mit seinen breiten Schultern versperrte er den ganzen Durchgang. Ich streckte die Hand aus. Er löste die Gurte.
    „Halten Sie meinen Rucksack“, bat er mich, „ich muß ihn abnehmen, sonst komme ich nicht durch.“
    Ich spürte, wie die Gurte meine Hand herunterzogen. Es wurde wieder hell. Arsenjew war verschwunden. Ich machte einen Schritt vorwärts. Das dumpfe Rauschen schwoll plötzlich

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