Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
Varese.»
«Leck mich, Poliziotto. Franco ist ein Spinner.»
Da konnte Roberto nicht viel dagegenhalten. Franco hatte jetzt angefangen, das Geräusch eines brunftigen Brüllaffen nachzuahmen, leise zwar, aber unverkennbar.
« Porca troia , Poliziotto. Du gehst nachsehen. Wenn da tatsächlich ein Toter rumliegt, ruf mich wieder an. Aber nur dann, verstanden?»
Klack, aufgelegt. Roberto hatte umsonst tief Luft geholt, um sich irgendwie rauszureden. Cazzo! Um vier Uhr musste er mit seinen Säcken vor der frantoio in Cartoceto im Val del Tarugo stehen, wenn er der Erste sein wollte, dessen Oliven heute gepresst wurden. Andererseits: In dieser bitterkalten Polizeiwache war es kaum wärmer als draußen. Immer wenn Roberto Nachtdienst hatte, drehte Cottelli die Zentralheizung runter, sobald er das Gebäude der Polizia Municipale verließ, und er drehte sie erst wieder hoch, wenn er am nächsten Tag seinen Dienst antrat. Da nur er einen Schlüssel zum Heizungskeller hatte und die alten Stromleitungen des Palazzo del Legato Albani zu schwach waren, um einen elektrischen Heizlüfter anzuschließen, blieb Roberto nichts anderes übrig, als der Kälte mit einer Daunenjacke Paroli zu bieten und sich, wenn es ganz schlimm wurde, eine Mikrofaserdecke über die Beine zu legen. Warum also nicht stattdessen einen kleinen nächtlichen Spaziergang machen?
Ächzend hievte er seinen Körper aus dem Schreibtischstuhl. Es war wie verhext, er konnte machen, was er wollte: Aus einem unerfindlichen Grund wog er immer mindestens fünf Kilo zu viel. Und wenn er Nachtschicht hatte, kamen ihm die fünf wie zehn vor. Heute sogar wie fünfzehn. Die sich aus einem weiteren unerfindlichen Grund alle genau da materialisierten, wo sein Hosengürtel ihn einschnürte.
Robertos Hand zuckte zurück. Logisch, dass die Leiche bei den Temperaturen schon reichlich ausgekühlt war, aber warum musste sie überhaupt tot sein? Ausgerechnet wenn er Dienst hatte? Überhaupt war ein kalter, lebloser Körper etwas Furchtbares. Weil er mit endgültiger, unmissverständlicher Klarheit sagte: Irgendwann bist du selber der Kalte. «Und dann? Dann ist Schicht», flüsterte Roberto.
Er packte einen Arm der Leiche und versuchte, sie auf den Rücken zu drehen. Aber wie sehr er auch zog und zerrte, der Tote war zu schwer, er bekam ihn einfach nicht gedreht.
«Könntest du vielleicht mal mit anfassen, porca miseria, eh ?»
Franco reagierte nicht. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er in die Dunkelheit, als erwarte er von dort den Angriff eines Zombies.
«Hast du wenigstens ein Feuerzeug?» Dummerweise hatte Roberto die MagLite in seiner Schreibtischschublade vergessen.
Franco reagierte immer noch nicht. Roberto gab auf und holte sein Uralt-Handy hervor, ein Nokia 6310 ohne Kamera, ohne MP3-Player, ohne Bluetooth und ohne Touch Screen. Ein Telefon zum Telefonieren.
«Galdroni? Der Mann ist tatsächlich tot.»
«Was? Wie? Eh …» Galdroni klang, als hätte Roberto ihn mitten aus einer Drei-Stunden-Meditation gerissen. Erst jetzt fiel Roberto ein, dass Galdroni für zwei Wochen alleine zu Hause war, weil seine Frau Ornella mit den beiden Kindern zum Skilaufen nach Hintertux gefahren war. Ohne seine Familie wusste Pretoro nichts Besseres mit sich anzufangen, als sich rauschhaft eine DVD nach der anderen reinzuziehen. Dabei trank er pausenlos Grappa Nardini, der mit seinem Alkoholgehalt von 50 Prozent selbst den robusten Galdroni irgendwann in die Horizontale zwang. Dem Klang seiner Stimme nach dürfte Galdroni diesem Punkt schon sehr nahe sein.
«Die Leiche liegt in der Via dei Fornari. Am Ende. In der Sackgasse.»
«Und, äh, wer ist es?»
«Kann ich nicht erkennen.»
«Ist er bloß tot oder auch noch unsichtbar, oder was!», pflaumte Galdroni zurück. Langsam ging er Roberto auf die Nerven. Sollte der commissario seine schlechte Laune doch mit Hilfe seiner obskuren DVDs abreagieren.
«Ich habe meine Taschenlampe vergessen.»
«Dann nimm ein Feuerzeug, porca puttana !»
«Habe ich keins. Nichtraucher.»
Galdroni stöhnte wie ein Mammut. «Und Franco? Typen wie der rauchen doch ständig Marihuana und Crack.»
Roberto warf dem Komponisten einen Blick zu. Franco zitterte hoffnungslos vor sich hin. Kurzerhand durchwühlte Roberto die Außentaschen von Francos Daunenjacke und wurde tatsächlich fündig: ein Mickey-Mouse-Feuerzeug. Nach ein wenig Herumprobieren fand er heraus, dass man die Löffelohren nach hinten drücken musste und die Flamme dann aus der
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