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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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gehende Fragen vermeiden. Sie hatte also von Friedrichs Tod erfahren,
     sein Vater hatte es gewusst. Herzversagen als Todesursache. Hoffentlich wusste der Anwalt mehr.

|22| 2.
Ein Haus am Fluss
    In den Räumen des Anwalts war es kühl, geradezu eine Erleichterung nach dem Weg durch die aufgeheizte Stadt. Holzgetäfelte
     Wände, Büromöbel aus der Gründerzeit, knarrendes Parkett, und über allem ein leichter Duft nach Holz, eine Aura von Gediegenheit,
     Anstand und Würde. Sogar Aktenordner und Gesetzbücher standen hinter Glas. An der Wand gegenüber den hohen Fenstern hing das
     Foto einer Demonstration: junge Männer, rennend, untergehakt, viele im Anzug und mit Krawatte, aufgerissene Münder, und im
     Hintergrund die Ruine der Gedächtniskirche, die Nicolas an einen ausgebrochenen Zahn erinnerte. Die Ruine und der Funkturm
     waren seine Wahrzeichen der Stadt. Die Siegessäule verabscheute er, im Fundament der Goldelse lagen die Toten von drei Kriegen,
     und die Quadriga war ihm zu oft bei den Aufmärschen der Nazis mit im Bild gewesen.
    »Der da in der zweiten Reihe, das bin ich«, sagte Dr. Dr. Hassellbrinck schmunzelnd, als er den Raum betrat. Der Rechtsanwalt
     und Notar zeigte mit dem Finger auf einen Jüngling mit Vollbart, den Nicolas beim besten Willen nicht mit ihm in Verbindung
     gebracht hätte. »Damit man nie vergisst, woher man kommt, was einem wichtig war und ist und woran man glaubt.« Der Ton des
     Rechtsanwalts war weder nostalgisch noch parolenhaft, die Stimme klang freundlich und selbstsicher.
    |23| Nicolas wandte sich vom Bild ab, das neben einem Bücherschrank hing, und trat dem Anwalt entgegen.
    »Sie sind das?«, fragte er ungläubig. »Niemals!«
    »Doch, doch.« Anscheinend war der Rechtsanwalt derartige Reaktionen gewohnt, er lächelte belustigt und schüttelte Nicolas
     die Hand. Sein Blick war offen und durchdringend, ein Blick, den man nicht lange aushielt. Dazu langes graues Haar, ein hageres
     Gesicht, Lachfalten. Sein Lächeln konnte sowohl Zynismus wie auch Distanz bedeuten. Der elegante Flanellanzug ließ ihn als
     Verteidiger von Wirtschaftsbossen und -verbrechern als geeignet erscheinen.
    »Das sind Sie?«, fragte Nicolas noch einmal kopfschüttelnd und folgte der Geste des Rechtsanwalts hin zum Besucherstuhl, während
     Hassellbrinck sich hinter seinem übergroßen, mit abgeschabtem Wildleder bespannten Schreibtisch niederließ.
    »Als Jurastudent habe ich das Fach ernst genommen, es gab Gruppen, in denen sich angehende Juristen, Anwälte und Richter zusammenfanden,
     die in dieser Gesellschaft was verändern wollten, sie menschlicher und demokratischer gestalten wollten. Ich gehörte 1979
     zu den Gründern des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins: Immer etwas mehr Demokratie, als gerade erreicht ist,
     das war und ist unser Ziel, besonders heute wieder, bei diesem Innenminister ... Damals hatten wir andere Sorgen, Sie können
     sich kaum vorstellen, wie es in Deutschland ausgesehen hat – auf beiden Seiten der Mauer: drüben Stalinisten und Stasi, hier
     weichgespülte Nazis und die ehemaligen NS-Richter in unserer Justiz . . .« Hassellbrinck musterte Nicolas, als wolle er sein
     Innerstes nach außen kehren. »Wissen Sie«, fuhr er fort, »das Schönste für den Menschen scheint zu sein, wenn er sich über
     andere erheben kann – aber deshalb sind Sie nicht gekommen.« Hassellbrinck stieß hörbar die Luft aus. »Zuerst mein Beileid
     zum Tod Ihres |24| Onkels. Soweit ich weiß, ist er bereits bestattet. Dr. Pereira aus Porto teilte es mir gestern am Telefon mit. Ich rief ihn
     an, nachdem wir diesen Termin für heute vereinbart hatten. Ihr Onkel, Friedrich Hollmann, muss Sie sehr geschätzt haben. Sie
     haben die Dokumente mitgebracht, um die ich Sie gebeten habe?«
    Mich geschätzt haben?, fragte sich Nicolas, er kannte mich doch gar nicht. Er reichte dem Rechtsanwalt Geburtsurkunde und
     Personalausweis. Der Anwalt ließ beides fotokopieren und sprach eine kurze Notiz in ein Diktiergerät. »Erschienen ist heute
     am 4. Mai 2007 Herr Nicolas Hollmann, geboren in Frankfurt am . . .« Als er geendet hatte, richtete er das Wort wieder an
     Nicolas: »Ihr Onkel ist Mitte der Siebziger nach Portugal ausgewandert und hat am Rio Douro – Sie wissen sicher besser als
     ich, wo das ist – ein Weingut aufgebaut, die Quinta do Amanhecer. Sicher spreche ich das falsch aus. Sie sprechen Portugiesisch?«
    Nicolas verneinte, was den Rechtsanwalt die Stirn runzeln

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