Der Präsident
anderen. Warum waren die überhaupt hinter dir her?«
Jack hätte sich ohrfeigen können. Er schaute hinunter auf die Schachtel.
»Ich habe eine Sonderlieferung von jemandem bekommen, und zwar von Edwina Broome. Es ist etwas, bei dessen Anblick du wahrscheinlich aus den Stiefeln kippst.«
Seth stand auf und wünschte, er könnte durch den Hörer fassen und das Paket packen. »Was ist es?«
Jack erzählte es ihm.
Rasch überlegte Frank. Blut und Fingerabdrücke. Ein Festtag für Laura Simon. »Ich kann dich jederzeit, überall treffen.«
Auch Jack überlegte fieberhaft. Ironischerweise waren öffentliche Plätze im Moment vermutlich gefährlicher als private. »Wie wär’s mit der U-Bahnstation Farragut West, Ausgang 18. Straße, gegen elf Uhr nachts?«
Frank kritzelte die Daten nieder. »Ich bin da.«
Jack hängte ein. Schon vor der vereinbarten Zeit wollte er an der Station sein. Nur für alle Fälle. Sollte ihm irgendetwas auch nur ansatzweise verdächtig vorkommen, würde er untertauchen, so tief er konnte. Er zählte sein Geld. Die Dollars schwanden schnell. Die Kreditkarten kamen augenblicklich nicht in Frage. Jack musste das Risiko eingehen und ein paar Bankomaten anzapfen. Das würde ihm ein paar Hunderter bringen, und damit konnte er über die Runden kommen, zumindest eine Weile.
Jack verließ die Telefonzelle und blickte prüfend in die Menschenmenge. Das für die Union-Train-Station typische rege Leben herrschte. Niemand schien sich auch nur im geringsten für ihn zu interessieren. Jack zuckte leicht zusammen. Zwei Streifenpolizisten kamen in seine Richtung. Hastig trat er zurück in die Telefonzelle und wartete, bis die beiden vorbeigegangen waren.
Im Restaurationsbereich kaufte Jack einen Hamburger mit Pommes frites; dann sprang er in ein Taxi. Während der Taxifahrer ihn durch die Stadt chauffierte und er aß, hatte er Gelegenheit, über die Möglichkeiten nachzudenken, die sich ihm boten. Würden seine Probleme wirklich vorbei sein, sobald er Frank den Brieföffner übergeben hatte? Die Abdrücke und das Blut stammten mit ziemlicher Sicherheit von demjenigen, der in jener Nacht in Sullivans Haus war. Doch dann übernahm Jacks Strafverteidigermentalität das Kommando. Und die wies ihn daraufhin, dass einer derart simplen Lösung fast unüberwindliche Hürden im Wege standen. Zunächst bestand die Gefahr, dass der Beweis sich als unbrauchbar erwies. Vielleicht fand man keine Entsprechung, weil die DNA und Abdrücke der entsprechenden Person nirgends archiviert waren. Zum wiederholten Male erinnerte sich Jack an Luthers Gesichtsausdruck damals an der Mall. Es musste sich um eine bedeutende Persönlichkeit handeln, um jemanden, den die Leute kannten. Das war ein weiteres Hindernis. Wenn man Anschuldigungen gegen so jemanden erhob, hatte man besser verdammt gut Beweise dafür, andernfalls erblickte der Fall noch nicht einmal das Licht der Welt.
Zweitens waren sie mit einem gewaltigen Verfahrensproblem konfrontiert. Konnten sie überhaupt beweisen, dass der Brieföffner aus Sullivans Haus stammte? Sullivan selbst war tot. Die Dienerschaft konnte es vielleicht nicht mit Bestimmtheit sagen. Christine Sullivan musste ihn in der Hand gehalten haben. Vermutlich hatte der Mörder ihn kurze Zeit in seinem Besitz. Luther besaß ihn mehrere Monate. Nun hatte ihn Jack und konnte ihn hoffentlich bald an Seth Frank weitergeben. Der Schluss, den Jack daraus zog, war ernüchternd.
Die Beweiskraft des Brieföffners war gleich Null. Selbst wenn sie eine Entsprechung fanden, ein guter Strafverteidiger würde erreichen, dass der Beweis nicht zugelassen wurde. Zur Hölle, vermutlich würde das Ding noch nicht einmal für eine Anklageerhebung reichen. »Belastetes« Beweismaterial war überhaupt kein Beweismaterial.
Jack hörte auf zu essen und lehnte sich in den schmutzigen Vinylsitz zurück.
Aber halt! Sie hatten versucht, ihn zurückzubekommen! Dafür hatten sie sogar getötet. Sie waren bereit, Jack zu töten, nur um in den Besitz dieses Brieföffners zu gelangen. Es musste wichtig für sie sein, lebenswichtig. Unabhängig vom rechtlichen Gewicht verfügte der Brieföffner also über einen gewissen Wert. Und alles, was Wert besaß, ließ sich nutzen. Vielleicht hatte er doch eine Chance.
Es war zehn Uhr abends, als Jack mit der Rolltreppe hinunter in die U-Bahnstation Farragut West fuhr. Die Station gehörte zum orangen und zum blauen Streckennetz der Washingtoner Verkehrsbetriebe und war untertags stark
Weitere Kostenlose Bücher