Der Preis der Ewigkeit
Nebel über den Boden, doch als er an den Gitterstäben anlangte, kam er nicht weiter. Anders als zuvor, als sein Einfluss noch weit genug gereicht hatte, um sich in der gesamten Unterwelt auszutoben, war Kronos jetzt vollkommen eingesperrt.
Der Nebel fügte sich zur Gestalt eines Mannes zusammen und Kronos trat an das Tor, stolz und hoch aufgerichtet wie eh und je. „Kate, mein Liebling, ich wusste, dass du zu mir zurückkommen würdest.“
Ich biss mir von innen auf die Wange, um nichts zu sagen, das ich später bereuen würde. „Ich bin nicht hier, um dich freizulassen. Ich bin hier, um bei dir zu sein.“
„Oh?“, brachte Kronos hervor, während sein Blick an etwas hinter mir hängen blieb. Finster starrte ich ihn an. Er hatte kein Recht, Henry und Milo anzusehen, nach allem, was er getan hatte. „Inwiefern?“
„Als Freundin“, stieß ich unter größter Mühe hervor. „Und wenn nicht das, dann wenigstens, um dir Gesellschaft zu leisten.“ Auch wenn ich lieber in einem See aus Feuer gebadet hätte. „Niemand sollte bis in alle Ewigkeit auf eine solche Weise allein sein.“
Plötzlich wirkte Kronos nachdenklich. „Mir war nicht klar, dass es dir etwas bedeutet.“
„Tut es nicht“, erwiderte ich schneidend. „Ich hasse dich für das, was du meiner Familie angetan hast. Ich hasse dich dafür, dass du Ava nicht geheilt hast. Ich hasse dich dafür, dass du so größenwahnsinnig bist, dass du nicht über deine eigenen Gelüste hinausblicken kannst. Aber am Tag seiner Geburt hast du meinem Sohn das Leben gerettet und das werde ich dir niemals vergessen.“ Ich zögerte. „Ich weiß, was es bedeutet, in eine düstere Zukunft ohne einen einzigen Menschen an seiner Seite zu starren, und niemand hat eine Ewigkeit der vollkommenen Isolation verdient. Also werde ich dich besuchen kommen. Nicht jeden Tag, aber … oft genug, um sicherzustellen, dass jemand dich im Auge hat. Oft genug, dass du nicht einsam bist.“
Er verengte die Augen. „Und wenn ich nicht wünsche, dass du kommst?“
„Dann hast du einfach mal Pech gehabt. So und nicht anders wird es laufen, ob’s dir gefällt oder nicht, also gewöhn dich besser gleich dran.“
Es entstand eine lange Pause, doch schließlich nickte Kronos. „Nun gut. Bis zum nächsten Mal.“
Er zerfaserte wieder in einen formlosen Nebel, dessen Fetzen vom Tor fortglitten, bis sie in der Dunkelheit nicht mehr auszumachen waren. Zittrig holte ich Luft und versuchte, meinen rasenden Herzschlag zu beruhigen, als Henry mir die Hand auf den Rücken legte.
„Ich liebe dich“, murmelte er. Diese drei Worte würden niemals ihren Zauber verlieren. „Auch wenn du manchmal frustrierend gütig bist.“
Mit den Fingerknöcheln strich ich Milo über die Wange, vergewisserte mich zum hundertsten Mal, dass er immer noch da war. „Irgendwer im Rat muss es ja sein“, entgegnete ich und Henry lachte in sich hinein.
„Ja, ich nehme an, da hast du recht. Und jetzt komm.“ Er nahm meine Hand, und seine Berührung war eine Erinnerung an alles auf dieser Welt, was ich liebte. „Lass uns heimgehen.“
Der schwarze Fels um uns herum verblasste und hinterließ nichts als die anhaltenden Spuren von Krieg und Herzschmerz, mit denen wir es hatten aufnehmen müssen. Henry hatte recht – irgendwann würde es besser werden, wie alles irgendwann besser wurde. Sosehr unser Verlust uns formte, so sehr definierte uns auch unsere Fähigkeit zu hoffen.
Und von diesem Moment an würden wir der Zukunft gemeinsam entgegentreten, was auch immer sie für uns bereithalten mochte. Für immer und ewig.
– ENDE –
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