Der Preis der Ewigkeit
Hoffnung, Henry an ihre Seite zu holen.
„Und du, mein Liebling?“ Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Nicht einmal die zermürbenden Geschehnisse des letzten Jahres konnten ihre Schönheit trüben.
Als Ava nicht sofort antwortete, bestätigte sie damit seinen Verdacht. Vor seinen Augen war sie dahingewelkt, doch nie hatte sie ihre Verzweiflung gezeigt. Sie wusste, was auf dem Spiel stand. Sie wusste, warum sie nicht scheitern durften.
„Ich werde es ihm sagen.“
Im ersten Moment glaubte er, sich verhört zu haben, doch als sie sich ein Stück von ihm löste, einen stählernen Blick in den blauen Augen, wusste er, dass dem nicht so war. „Du weißt, dass du das nicht darfst“, wies er sie sacht und gleichsam gebieterisch zurecht. „Wir haben zu harte Arbeit geleistet, um jetzt alles zu riskieren.“
„Ich hab geglaubt, es wäre nur Kate.“ Auf ihrem Gesicht erschienen rote Flecken, wie es immer geschah, wenn sie kurz davor war, in Tränen auszubrechen, was ihm einen Stich ins Herz versetzte. Es war der väterliche Wunsch, ihrem Schmerz ein Ende zu setzen. Aber was konnte er machen, wenn doch alles, was er tat, unerlässlich war, um weit größere Qualen zu vermeiden, als er ihr jetzt schon zufügte? „Ich hätte niemals zugestimmt, wenn ich gewusst hätte, dass sie schwanger ist. Das weißt du.“
„Ja, das weiß ich.“ Beruhigend strich er seiner Tochter durchs Haar, doch aus ihrer Kehle brach ein ersticktes Schluchzen hervor. „Es tut mir leid.“
Urplötzlich riss sie sich von ihm los und kam stolpernd auf die Beine. „Sobald Kate ihr Kind zur Welt gebracht hat, wird Calliope sie töten – das weißt du. Und du wirst es trotzdem geschehen lassen.“
„Vielleicht nicht“, wandte er ein. „Du hast selbst gesagt, dass Kronos Gefallen an ihr findet. Vielleicht wird das ausreichen.“
„Vielleicht?“ , fuhr Ava ihn an, halb wahnsinnig vor Frustration. „Damit setzt du alles auf eine Karte, Daddy. Du kannst nicht mit Sicherheit wissen, was passieren wird, und dieses arme Baby …“
„Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um diesen Krieg zu gewinnen, egal, was ein jeder von uns opfern muss.“ Egal, wie viele würden sterben müssen. „Jetzt ist nicht die Zeit für falsche Zurückhaltung.“
„Aber es ist auch nicht die Zeit, unnötige Risiken einzugehen und unbedachte Fehler zu machen.“ Sie stürmte zur Tür. „Ich werde Henry alles sagen.“
„Ava.“
Walters Stimme hallte durch den Palast, erschütterte die Grundfesten des Olymps. Jede Spur von väterlicher Zuneigung war verschwunden. Es war der Befehl eines Königs.
Ava erstarrte. Ihr blieb keine andere Wahl, nicht nach Äonen des Gehorsams. Walter fühlte einen kleinen Stich der Schuld, dass er so mit ihr sprach, nach allem, was er sie hatte durchleiden lassen. Doch es war notwendig. Das Schicksal der Welt hing davon ab.
„Du wirst es ihm nicht sagen“, befahl er. „Nicht bevor Kate ihr Kind geboren hat.“
„Was macht es für einen Unterschied, ob ich es ihm jetzt sage oder morgen?“, widersprach Ava gleichsam beunruhigt und entschlossen. Hätte irgendjemand anders es gewagt, Widerspruch zu erheben, wäre Walter bloß zornig geworden. Doch jetzt war er einfach nur froh, zu sehen, dass ihr noch etwas Kampfgeist geblieben war.
„Er wird nicht aufgeben, bevor er Kate zurückhat“, erklärte Walter. „Aber wenn es so weit ist, wird er in die Unterwelt zurückkehren und Kate mit all seinen Kräften beschützen. Dann wird er sich weiterhin aus unserem Kampf heraushalten.“
Ihre Augen wurden groß. „Augenblick mal – du willst das Baby als Köder benutzen?“
„Ich werde tun, was ich tun muss, um Henry in diesen Krieg zu verwickeln“, erwiderte Walter. „Ein einzelnes Leben ist es nicht wert, alles zu verlieren.“
„Es ist ein Baby.“ Ava starrte ihn an, als würde sie ihn nicht wiedererkennen. Auch wenn Walter nur selten Angst verspürte, kroch sie nun unangenehm durch sein Inneres, als hätte er Eisschlamm in den Adern anstelle von unsterblichem Blut. „Das kannst du nicht tun – es ist ein Kind .“
„Wenn Henry nicht in diesen Krieg eintritt, werden Millionen von Kindern sterben“, erwiderte Walter. Sie musste es begreifen, hier ging es nicht um Gehorsam und Stolz. „Ich verstehe, wie schwierig das für dich ist, mein Liebling …“
„Ach, tatsächlich?“ Ihr scharfer Tonfall verschlug ihm die Sprache. Noch nie hatte er sie so mit jemandem reden hören, geschweige denn
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