Der Priester
übel zugesetzt.«
2
Siobhan Fallon wartete vor ihrer Wohnungstür, während der Kerl, der die Blumen bei ihr abgegeben hatte, die Treppe hinunterpolterte. Erst als sie hörte, wie die Haustür unten zufiel, ging sie zurück in ihre Wohnung. Ihres Wissens war zwar bisher nie jemand in Ballsbridge Court eingebrochen. Dafür war die Anlage viel zu gepflegt. Aber die Wichtigtuer von der Bewohnergemeinschaft würden ihr mangelndes Sicherheitsbewusstsein unterstellen, wenn sie aus der Reihe tanzte. Und sie hatte jetzt wirklich nicht das Bedürfnis, sich Ärger einzuhandeln. Ihre Wohnung war der einzige Ort, an den sie sich zurückziehen konnte, und das sollte so bleiben. Etwas behindert durch den großen Blumenkorb in ihrem Arm – rosa und weiße Rosen, strahlende Lilien und wer weiß, was noch alles – ging sie behutsam weiter zu dem kleinen Kiefernholz-Esstisch am Wohnzimmerfenster. Sie stellte den Korb auf die Zeitung, die sie vorsorglich ausgelegt hatte, überlegte kurz, ob sie ihren Fotoapparat holen und den Augenblick festhalten sollte, als sie den Umschlag sah, der am Korb klebte. Kein anderer als Harry Heffernan, der Chefredakteur, hätte so eine Sonntagslieferung organisieren können. Trotzdem wollte sie es mit eigenen Augen schwarz auf weiß sehen.
Wie sich herausstellte, war die Karte eine ziemliche Enttäuschung. »Für unsere Starschreiberin! Mit Zuneigung und Hochachtung – Harry.« Wie lahm war das denn? Noch schlimmer als seine miesen Schlagzeilen.
Siobhan starrte auf den Sunday Herald , der ausgebreitet auf dem Tisch lag. Den größten Teil der Titelseite nahm ein klassisches Paparazzifoto ein, auf dem der Fußballnationalspieler Gary Maloney in den typischen, grellen Farben einer nächtlichen Blitzlichtattacke aus einem eleganten, georgianischen Hauseingang heraustrat. Das blondierte Haar war zerzaust wie das eines verschlafenen Sechsjährigen, die Augen rot gerändert von zu viel Alkohol – oder irgendwelchen anderen Stimulanzien. Aus der Sicht der Nachrichtenmacher entwickelte das Foto seinen Zauber jedoch erst durch den Hintergrund mit dem gut erkennbaren, blond gerahmten Gesicht von Suzy Lenihan, die ihm gerade eine Kusshand zuwarf. Das berühmte Exmodel war die Ehefrau von Marty Lenihan, dem Trainer der irischen Nationalmannschaft. Das hätte alles noch in Ordnung und sogar vielleicht ganz nett sein können, wären da nicht noch die perfekt ausgeleuchteten Kurven von Schulter und Hüfte gewesen, die aus dem Türrahmen herausragten und belegten, dass Suzy splitternackt war. Unter diesen Umständen war die grelle Schlagzeile, die in 72-Punkt großen, weißen Buchstaben auf schwarzem Grund links neben dem Foto prangte, schon fast überflüssig: MALONEY UND TRAINERFRAU : TREFFER , VERSENKT .
Alles andere auf der Titelseite war von Siobhan. Sie musterte den Text, wenn auch nicht direkt voller Stolz, aber doch mit tiefster Zufriedenheit. Besonders gut gefielen ihr die fünf Wörter, die über dem Bericht in Fettdruck standen: Von unserer Chefreporterin Siobhan Fallon. Sie hatte hart gekämpft, um diesen Titel zu bekommen, und sehr häufig war sie nur dann, wenn sie ihn – wie jetzt – vor sich sah, sicher, dass es das wert gewesen war. Doch jetzt zeichnete sie für den gesamten Bericht verantwortlich – von der Idee über die Konzeption bis zur Ausführung stammte alles von ihr. Sie hatte ihre besten Quellen angezapft, das Liebespaar ausfindig gemacht, Franny, dem Knipser, gesagt, wo sie ihn abholte. Er hatte nur neben ihr im Wagen gesessen und gewartet, bis Maloney aus dem Haus kam. Blitz, surr, Blitz … schon hatte er die Bilder im Kasten. Dann war sie mit dem Diktiergerät losgeschossen. Keine Streiterei, keine Flüche, keine fliegenden Fäuste. Maloney war viel zu perplex, aufgeputscht und hektisch gewesen. Als sie ihn dann um einen Kommentar gebeten hatte, gab er eine Antwort, für die sie hätte sterben können. »Hat meine Frau Sie geschickt?«, fragte er. Herrgott, das hätte sich niemand besser ausdenken können. Das wäre ihre Schlagzeile gewesen, wenn sie die Chefredakteurin gewesen wäre.
Eigentlich spielte es aber keine Rolle. Es war mit Abstand der größte Knüller des Tages. Siobhan grinste in sich hinein, ließ die Seite noch einmal auf sich wirken und zog ihren Fotoapparat aus der Handtasche. Sämtliche Nachrichtensendungen im Land hatten die Story aufgegriffen, außerdem war es eins der Hauptthemen in Ireland on Sunday , der Sonntagmorgensendung im öffentlich-rechtlichen
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