Der Prinz der Hölle
selten, kommen jedoch vor. Offenbar vergaßen die Errichter dieser Tore, sie vor ungewollter, zufälliger Entdeckung zu schützen.«
»Ich weiß nichts von solchen Gängen«, sagte Omeron hart.
»Vielleicht nicht, Fürst. Doch falls Ihr es wisst, werde ich es erfahren. Erzählt mir von diesen Gängen, dann ‚wird Euch meine Gnade und Barmherzigkeit widerfahren. Wenn nicht …«
»Ich sagte Euch, dass ich nichts über sie weiß!«
»Und ich sage, dass ich Euch nicht glaube.« Du-jum seufzte. »Ich hatte es befürchtet. Strenge Führer sind hartnäckige Gefangene. Doch was in der Staatskunst klug ist, Omeron, ist in anderen Bereichen häufig töricht. Ihr lasst mir keine Wahl.«
»Ich hatte keine Wahl von dem Augenblick an, da Ihr Thesrad überfallen habt, Hexer.«
Du-jum lächelte finster. »Ich bewundere Euch wirklich, Omeron. Denkt daran, wenn ich Euch Schmerzen verursachen muss, habt Ihr es Euch selbst zuzuschreiben.«
»Bringt es hinter Euch, Hexer!«
»Nun gut. Wie Ihr wollt.« Du-jum kam noch näher und streckte die Arme aus.
Die Wachen auf dem Korridor vernahmen einen plötzlichen grauenvollen Schmerzensschrei aus dem Gemach – dann noch einen und weitere.
8
»Brecht die Tür auf!« befahl Sonja.
Der Tag war halb vorüber. Elath hatte ihnen gerade versichert, dass er keine Wärter mehr in der Nähe fühlte. Nun suchten die sechs Omeron-Soldaten mit den Spitzen ihrer schweren Dolche entlang dem Türrahmen nach schwachen Punkten. Das Schloss, vor langer Zeit eingerastet, war völlig verrostet und unmöglich zu öffnen. Am meistversprechenden waren die Angeln.
»Es sind keine normalen Angeln«, murmelte Elath und studierte sie, während die sechs Soldaten arbeiteten. Es war eine seltsame Vorrichtung von Kugeln in einer Halterung: Eisenstäbe mit kugeligen Enden, im Türrahmen befestigt, paarweise mit Mulden in der Wand so verbunden wie Ellbogen- oder Kniegelenke, durch Stifte festgehalten. Es war erstaunlich, denn diese Angeln schienen weit komplizierter zu sein als erforderlich und in der ganzen Anordnung ausgeklügelter denn nötig. Sonja fragte sich, wie alt diese Gänge wohl waren und wer – oder was – sie erbaut hatte.
Doch welchen Ursprung diese Angeln auch haben mochten, dem festen Stahl und den kräftigen Armen vermochten sie nicht lange zu widerstehen. In kürzester Zeit hatten Sonja und ihre Begleiter, schwitzend und keuchend in der verbrauchten Luft, vier der eisernen Ellbogen auseinander gerissen. Die schwere Tür kippte beim vierten bedrohlich nach innen.
Dann zogen alle sechs Männer die Tür vorsichtig zurück, sie knarrte, scharrte und wäre nun fast auf sie gestürzt, doch sie duckten sich unter ihr hinweg und ließen sie auf den Boden fallen.
»Wer ist da?« – »Was war das?« – »Was ist los?« riefen die Gefangenen erstaunt aus ihren Zellen und versuchten durch das Gitter zu sehen. »Ihr Götter! Es muss Du-jum sein!«
»Still, ihr alle!« rief Sonja ihnen zu und bemühte sich, zwar verständlich, aber nicht zu laut zu sein. »Wir sind Widerstandskämpfer! Lord Omeron ist in die Stadt zurückgekehrt, doch viele seiner Soldaten wurden heute morgen überwältigt.«
»Widerstandskämpfer!«
»Fürst Omeron!«
»Er lebt?«
»Hört mir zu! Wir sind vielleicht die letzten, die noch frei sind. Wir werden euch aus den Verliesen holen, aber wir müssen geschlossen handeln!«
Inzwischen befanden Sonja und die anderen sich etwa in der Mitte des Korridors, schauten sich sorgfältig um, beobachteten alle Gefangenen und sprachen unmittelbar zu ihnen.
»Wir machen mit, Mädchen!«
»Ja! Holt uns hier heraus, und wir helfen euch, Du-jum umzubringen!«
»Wir kämpfen mit euch für Omeron!«
»So sagt uns, wo die Schlüssel sind. Wo bewahren die Wärter sie auf?«
»An einem Ring!« rief Kiros. »Der fetteste Wächter hat ihn an seinem Gürtel hängen.«
»Und wo sind die Wächter? Noch hier in diesem Kellergeschoß?«
»Folgt diesem Gang«, wies Kiros sie an, »dann findet ihr nach einigen Biegungen den Eingang zur Wachstube. Dort halten sich die Wärter auf. Zumindest immer zwei, manchmal mehr.«
Sonja schaute ihre Leute an, sofort sagte ein Soldat ohne Zögern. »Ich gehe. Ich werde schnell zurück sein.«
»Nimm noch zwei Mann mit.«
Die drei eilten mit gezückten Schwertern den Korridor entlang und verschwanden um die nächste Biegung. Ihre Schritte verhallten rasch.
Sonja ging auf die Stelle zu, aus der der junge Kiros durch die Gitterstäbe spähte und die
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