Der Prinz von Astrilandis
seine Brust, als er zu dem auf einem Tablett bereitliegenden Zepter griff, um den künftigen Gemahl der Königin zu krönen. Seine tiefe Stimme erreichte die Ohren der gespannten Zuhörer bis in die letzte Reihe. Er blickte Krotos mit seinen wasserblauen Augen zynisch an, indem er sagte: „Im Namen der Göttin Sanivala und der Macht aller Inselgötter kröne ich Euch hiermit zum König von Miatris. An der Seite unserer Königin soll Euer Ruhm alles bisher Dagewesene überstrahlen. Ich übergebe Euch hiermit das Zepter der Macht und verneige mich vor unserem neuen Herrscher.“ Krotos, der in der untergehenden Sonne stand, die ihn blendete, konnte den abweisenden Gesichtsausdruck des Hohen Priesters nicht erkennen. Krotos nahm das Zepter entgegen und sank vor Laonira und dem Priester auf die Knie. Von den Zuschauern kam kein Klatschen, keine Rufe, eine unheimliche Stille umgab die Zeremonie. Als Krotos sich wieder erhoben hatte, wandte er sich dem Volke zu. Nur ein paar zustimmende Rufe ertönten, als auch Laonira neben Krotos die Hand zum Gruß erhob.
Der Hohe Priester nahm einen gefüllten Becher, hob ihn über seinen Kopf und reichte ihn mit ausgestrecktem Arm zuerst Laonira, dabei sagte er: „Trinkt den heiligen Trank der Göttin Sanivala, die Euch und Krotos zu gemeinsamen Herrschern dieser Inseln erwählt hat.“ Auch Krotos reichte er den Becher mit den Worten: „Hiermit vermähle ich die Herrscherin Laonira mit dem erwählten Gemahl aus Astrilandis.“ Und zu Krotos gewandt sagte er: „Der Thron von Miatris gehört jetzt Euch an der Seite eurer Gattin.“ Als Krotos Laonira in seine Arme schloss, blickten die Anwesenden zu Boden. Niemand, außer Myadne beglückwünschte das frisch vermählte Paar, doch auch sie beschlichen Zweifel, ob es richtig war, was ihre Mutter gerade getan hatte.
Seit Krotos auf der Insel war, hatte sich Laonira verändert und Myadne hatte die Göttin Sanivala um ein Wunder gebeten, das ihre Mutter wieder zu Verstand kommen ließe. Doch nun war das geschehen, was alle auf Miatris befürchtet hatten. Ein Astrilandier war der neue König von Miatris. Laonira und Krotos standen nach der Zeremonie vor dem Volk, das sich von ihnen abwandte. Keiner jubelte, kein Blumenregen ging auf sie nieder. Die gelben Lilien in ihren Schalen blieben unberührt. Laonira und Krotos blickten verstört auf die anwesenden Ältesten und Priester, die sie in einem Halbkreis umstanden. Dann wandten sie sich ab und gingen in das Innere des Tempels.
Dort war eine Tafel aufgebaut, die alle Köstlichkeiten der Inseln für die Feiernden bereit hielt. Laonira und Krotos saßen sich jeweils am Kopfende der langen Tafel gegenüber und Krotos hob einen Becher mit Wein und sagte zu Laonira: „Wir werden uns diesen wunderbaren Tag nicht verderben lassen. Wenn der Pöbel nicht mit uns zusammen feiern will, kann er diesen Ort verlassen.“, und damit machte er eine ausladende Bewegung mit seinem linken Arm. Doch niemand prostete ihm zu oder berührte die aufgetragenen Speisen. Nur Laonira hatte einen Becher in der Hand, den sie jetzt an die Lippen setzte. Während sie trank, sprang Krotos plötzlich auf, fasste sich mit beiden Händen an den Hals. Er wankte ein paar Schritte auf Laonira zu, die ihn wie gebannt anstarrte. Ihr Kelch fiel ihr aus der Hand. Krotos strauchelte, hielt sich am Tisch fest und riss an einem Tuch die Speisen herunter bis er unter Zuckungen vor Laonira zusammenbrach. Schaum quoll aus seinem Mund und seine geweiteten Augen verdrehten sich nach oben. Ein raues Röcheln entkam seiner zugeschnürten Kehle. Laonira und Myadne hatten sich neben Krotos auf den Boden geworfen und versuchten, ihn hochzuheben. Doch Krotos Gesicht verfärbte sich blau, er rang vergeblich nach Luft. Die Frauen blickten wie gebannt auf Krotos Gesicht, das immer dunkler wurde. Schließlich wich alle Anspannung aus seinem Körper und Laonira hielt den Kopf ihres Geliebten mit beiden Händen. Die Umstehenden waren zurückgewichen. Schließlich verstarb Krotos in Laoniras Armen, ohne noch ein Wort gesprochen zu haben. Der Hohe Priester und die anderen Gäste hatten das Schauspiel verfolgt, ohne einzugreifen. Selbst der Hohe Priester kam erst zu Laonira, als diese bereits neben Krotos am Boden lag. In Laoniras Augen stand Entsetzen, das sich in lautem Schreien entlud. Sie sprang auf, stieß Myadne auf die Seite und ging mit großen Schritten auf den Priester zu, sie schüttelte ihn an seinem Gewand und rief: „Wer hat diesen
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