Der Prinz von Astrilandis
Schäden so schnell es ging wieder zu beheben, da die Winterstürme erst noch bevorstanden. Miatris war weit im Westen gelegen und der offenen See ungeschützt ausgesetzt. Nur der Krater, in dem Subsidonos lag, bot vor diesen Stürmen Schutz. Das flache Land wurde von den Urgewalten jedes Winterhalbjahr heimgesucht, deshalb flüchteten die Bewohner der Küsten oft in die Berge, wenn das Meer über die flachen Landstriche fegte.
Das Sanivalafest fand immer zu einer Zeit statt, in der das Wetter unbeständig war und nur die Bucht von Timesis, die geschützt hinter hohen Felsen lag, war einer der wenigen Orte auf der Insel, wo dieses Fest gefeiert werden konnte. Die Vorbereitungen mussten kurz unterbrochen werden, doch Laonira wollte das Fest auf keinen Fall verschieben, da es mit der Krönung von Krotos verbunden war, deshalb legte sie auch selbst Hand an. Sie ging in die Blumengärten des Palastes und ließ die gelben Lilien, die sie für dieses Fest hatte pflanzen lassen, ausgraben und in große Tongefäße setzten, sie sollten den Aufgang zum Tempel von Timesis schmücken. Die Teppichweber hatten einen Läufer mit den gleichen gelben Lilien gewebt, der jetzt vom Webstuhl genommen und zusammengefügt wurde. Die Lilie war im Signum der Königin das wichtigste Symbol. Es verkörperte die Reinheit und Freiheit des Geistes. Zudem war es die Blume der Göttin Sanivala, deren Tempel mit Trieben von Lilien ausgemalt war. Eine neue Marmorstatue der Göttin war gerade noch rechtzeitig zum Fest fertig geworden und die Handwerker waren dabei, diese im Tempel von Timesis aufzustellen. Sie war doppelt so groß wie ein Mensch und der weiße Marmor war hoch glänzend poliert. Ein schöneres Standbild gab es auf der ganzen Insel nicht. Es wurde mit Tüchern abgedeckt und Laonira und Krotos würden es zu den Krönungsfeierlichkeiten enthüllen. Myadne hatte für das Standbild der Göttin als Modell gedient und der Steinhauer, der dieses Kunstwerk hergestellt hatte, war mit seiner Familie auf eine andere Insel gebracht worden, denn niemand, der Myadne nackt gesehen hatte, durfte in ihrer Nähe bleiben. Das Gesetz, dass ein solcher Mann geblendet wurde, wollte Laonira nicht einhalten, da sie Mitleid mit seiner Familie hatte, die dann einen hilflosen Mann zu versorgen hätte. Nachdem der Steinhauer auf die Insel Norides verbannt worden war, hatte ihm die Flut und das Erdbeben ein Ende bereitet. Laonira glaubte, dass diese Katastrophe das Werk der Göttin Sanivala war, die die Gesetze des Himmels gnadenlos durchsetzte. Diese rachsüchtige Göttin hatte ihr damals den Sohn genommen und ihn ihr nur kurz zurückgegeben. Jetzt hatte sie erneut eine Strafe geschickt, um ihre Macht zu beweisen. Laonira hoffte, dass sie mit Krotos endlich das Glück ihres Lebens finden und ihr die Göttin nicht wieder dazwischen kommen würde, da sie wieder einen Astrilandier erwählt hatte.
Myadne war sehr aufgeregt, denn das Sanivalafest war nicht nur das Ereignis im Jahr, das sie mit den Untertanen zusammen feierten, es war auch das Fest, in dem sie sich in ihren schönsten Kleidern zeigen konnte. Obwohl Myadne im Palast von Astrilandis sich in den jüngsten der Falkenbrüder verliebt hatte, wusste sie, dass für sie ein Salsivaria ausersehen war, den sie schon bald heiraten sollte. Beim letzten Fest hatte ihre Zofe ihr heimlich den Fürsten gezeigt, dem sie versprochen war. Sein Anblick hatte sie wenig berührt, denn dieser Mann war nicht nur doppelt so alt wie sie, sein Bauch und seine dünnen Haare fand sie wenig anziehend. Ihre Mutter hatte ihr einen stattlichen und reichen Mann versprochen, der an ihrer Seite künftig das Inselreich Miatris regieren sollte, doch dieser Mann erfüllte nicht ihre Vorstellungen. Sie versuchte ihn aus ihrem Gedächtnis zu verbannen, denn die Erinnerung an den Falkenfürsten erfüllte ihr Herz. Obwohl sie nicht glücklich darüber war, dass Laonira Krotos zum König an ihrer Seite machen wollte, war sie froh, dass ihre eigene Hochzeit dadurch hinausgeschoben wurde. Vielleicht gab es noch eine Hoffnung, den Falkenfürst wieder zu sehen.
Am Morgen des Festes hatte sich der Wind gelegt, das Meer glänzte in tiefstem Blau, wie wenn nie eine Woge es je aufgewühlt hätte. Laonira war in ihrer Kammer und ließ sich von ihren Dienerinnen frisieren und ankleiden. Ihr schwerer Umhang mit schwarzen und weißen Perlen war so gearbeitet, dass sie mit den Armen hindurchschlüpfen musste, um ihn nicht zu verlieren. Er lag mit einer
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