Der Prinz von Atrithau
Wissenschaft… Auch die anderen müssen davon erfahren! Schick ihnen diesen Traum!
Aber…
Aber was? Gibt es noch mehr zu berichten?
Viel mehr. Ein Anasûrimbor war zurückgekehrt, ein Nachfahre des toten Königs, von dem Nautzera gerade geträumt hatte.
Nichts von Bedeutung, gab Achamian zurück. Warum sagte er das? Warum verbarg er Anasûrimbor Kellhus vor den Mandati? Warum beschützte er ihn?
Gut. Ich kann es noch kaum glauben. Unsere alten Widersacher sind schließlich doch noch entdeckt worden! Hinter fremden Gesichtern getarnt! Wenn sie in den abgeschiedenen Bezirk des Kaiserhofs haben eindringen können, dann können sie jede Gruppe infiltrieren, Achamian.
Jede! Schick diesen Traum dem gesamten Quorum! Ganz Atyersus zittert heute Nacht.
Der Tagesanbruch hatte etwas Kühnes, und Achamian fragte sich, ob das immer so war, wenn tausend Speerspitzen den Morgen grüßten. Die Sonne stieg über einem purpurn glühenden Horizont auf und tauchte Hänge und Baumreihen in frischen, festlichen Glanz. Die Via Sogia, eine Küstenstraße, die es schon vor dem Ceneischen Reich gegeben hatte, führte direkt nach Südwesten. Nur die fernen Hügel ließen sie ab und an ein wenig nach links oder rechts schwingen. Eine schier endlose Reihe bewaffneter Männer trottete – von Kompanien berittener Edelleute flankiert und nur bisweilen von Gepäckkolonnen unterbrochen – die Straße entlang, und ihr langer Schatten fiel auf Wiesen und Weiden.
Dieser Anblick ließ Achamian erstaunen.
Viele Jahre lang waren seine nächtlichen Schrecken erheblich wichtiger gewesen als seine täglichen Sorgen. Der Horror, den er in seinen Alpträumen mit Seswathas Augen sah, hatte im Wachzustand keinerlei Entsprechung. Natürlich konnte auch die Alltagswirklichkeit verletzen, ja töten, aber all dies schien sich gewissermaßen im Miniaturformat zuzutragen.
Bis jetzt.
So weit das Auge reichte, waren die Männer des Stoßzahns in der Gegend verstreut, waren allerdings in der Nähe der Straße gehäuft zu sehen und ließen Achamian an Ameisen auf einer Apfelschale denken. Dort folgten Reiter einem weit entfernten Hügelkamm; da hatte ein Achsbruch einen Wagen am Straßenrand stranden lassen, an dem nun Speerträger in schier endloser Reihe entlangströmten; Berittene galoppierten durch blühende Haine; junge Einheimische riefen den Vorüberziehenden aus den Kronen der Birken mancherlei nach. Welch ein Anblick! Und das war nur ein Bruchteil ihrer wahren Stärke!
Kaum hatte der Heilige Krieg Momemn verlassen, hatte er sich in verschiedene Armeen gespalten, deren jede unter dem Befehl eines Hohen Herrn stand. Xinemus zufolge war dies einerseits aus Klugheit geschehen, da eine in verschiedene Heeresgruppen geteilte Armee Nahrungsmittel effektiver requirieren konnte, falls der Kaiser sein Versprechen, die Inrithi zu verpflegen, nicht einhalten sollte. Andererseits aber hatte Sturheit zu dieser Spaltung geführt, da die Anführer der Inrithi sich einfach nicht über die beste Route nach Asgilioch hatten einig werden können.
Proyas hatte beschlossen, an der Küste zu bleiben und der Via Sogia bis ans Ende zu folgen, um dann westlich nach Asgilioch abzudrehen. Die anderen Hohen Herren – also Gothyelk mit den Leuten aus Ce Tydonn, Saubon und die Galeoth, Chepheramunni und die Ainoni, Skaiyelt mit seinen Thunyeri – hatten den Weg durch die Felder, Weinberge und Obstgärten der dicht bevölkerten Ebenen von Kyranae gewählt und spöttelten, Proyas schlage eine Art Kreisbogen ein, um an einen Ort zu kommen, auf den er doch – wie sie – direkt hätte zumarschieren können. Die alten Straßen des Ceneischen Reichs aber waren kaum mehr als längst zerstörte, teils verschüttete, teils überwucherte Trassen, und obwohl der von Proyas eingeschlagene Weg erheblich länger war, kam sein Heer sehr viel schneller voran, weil es auf gepflasterten Wegen marschierte.
Xinemus meinte, das Heer aus Conriya werde – wenn es seine Marschgeschwindigkeit beibehalte – Asgilioch Tage früher als die übrigen Verbände erreichen. Und während Achamian sich besorgt fragte, wie Leute, die schon mit der Organisation eines konzertierten Aufmarschs überfordert waren, einen Krieg gewinnen wollten, war Xinemus überzeugt, das schnellere Eintreffen seines Heeres sei eine gute Sache, denn es würde nicht nur seinen Leuten und seinem Prinzen zur Ehre gereichen, sondern den Übrigen obendrein eine wichtige Lehre erteilen: »Selbst die Scylvendi wissen, dass man
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