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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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eines toten Hexenmeisters.
    Nichtsnutzige Hure.
    Esmenet lehnte Serwës Angebot ab, bei ihr und Kellhus im Pavillon zu wohnen, und der Dûnyain begleitete sie zurück in ihr Zelt. Sie begann schon wieder zu weinen. Wann war sie bloß so schwach und mitleiderregend geworden?
    Wie konntest du mich nur verlassen? Und warum?
    Sie kroch ins Zelt, als würde sie in einem Bau verschwinden, verbarg ihr Gesicht in den Decken und roch… Sandelholz.
    Seine Laterne in Händen, setzte Kellhus sich mit gekreuzten Beinen neben sie. »Er ist fort, Esmenet. Sarcellus wird nicht zurückkehren. Nicht nach dem, was heute Nacht passiert ist. Auch wenn nichts weiter geschieht, werden die Nachfragen ihn beschämen. Welcher Mann verdächtigt andere Männer nicht, Wüstlinge zu sein?«
    »Du verstehst das nicht«, stieß sie hervor. Wie konnte sie es ihm nur sagen? Die ganze Zeit hatte sie um Achamian gefürchtet und sogar gewagt, ihn zu betrauern, und doch… »Ich habe ihn angelogen!«, rief sie aus. »Ich habe Akka angelogen!«
    Kellhus runzelte die Stirn. »Wie meinst du das?«
    »Als er mich in Sumna zurückließ, kamen die Rathgeber zu mir – die Rathgeber, Kellhus! Und ich weiß, dass Inraus Tod kein Selbstmord gewesen ist. Ich weiß es! Doch ich habe es Akka nicht erzählt. Gütiger Sejenus, ich hab es ihm nicht erzählt! Und jetzt ist er verschwunden, Kellhus! Fort!«
    »Tief durchatmen, Esmi, tief durchatmen… Was hat das alles mit Sarcellus zu tun?«
    »Ich weiß nicht. Das ist ja das Verrückte. Ich weiß es nicht!«
    »Du und Sarcellus, ihr wart ein Paar«, sagte er, und sie wurde still wie ein Kind, das sich dem Wolf gegenübersieht. Dabei kannte Kellhus ihr Geheimnis doch seit jener Nacht beim verfallenen Heiligtum oberhalb von Asgilioch, als er zu dem Gespräch zwischen ihr und Sarcellus gestoßen war. Warum hatte sie also jetzt solche Angst?
    »Eine Zeit lang hast du geglaubt, Sarcellus zu lieben«, fuhr Kellhus fort. »Du hast ihn sogar mit Achamian verglichen. Du hast die zwei verglichen und Achamian entbehrlich gefunden.«
    »Ich war dumm!«, rief sie. Wie hatte ihr das nur passieren können?
    Keiner kann es mit dir aufnehmen, Liebster! Keiner!
    »Achamian war schwach«, sagte Kellhus.
    »Aber ich habe ihn wegen seiner Schwächen geliebt! Verstehst du nicht? Deshalb hab ich ihn geliebt!«
    Wirklich und wahrhaftig!
    »Und deshalb konntest du nicht zu ihm gehen. Ihn aufzusuchen, als du mit Sarcellus das Bett geteilt hast, hätte bedeutet, ihn genau jener Schwächen anzuklagen, die er nicht ertragen konnte. Also bliebst du ihm fern, hast dir aber eingeredet, du würdest nach ihm suchen, obwohl du dich in Wahrheit die ganze Zeit vor ihm versteckt hast.«
    »Wie kannst du das alles wissen?«, fragte sie schluchzend.
    »Aber so sehr du dich auch belogen hast: Du wusstest Bescheid. Doch du konntest Achamian nicht erzählen, was in Sumna passiert war, obwohl er es unbedingt hätte wissen müssen! Du konntest das nicht tun, weil du wusstest, dass er es nicht verstehen würde, zugleich aber Angst davor hattest, was ihm bei dieser Gelegenheit aufgehen würde.«
    Dass ich widerwärtig, egoistisch und hassenswert bin…
    Befleckt.
    Aber Kellhus konnte sie verstehen. Er hatte sie immer verstanden.
    »Sieh mich nicht an!«, rief sie.
    Zugleich aber dachte sie: Sieh mich an!
    »Doch, Esmi, ich sehe dich an. Und was ich sehe, erfüllt mich mit Staunen.«
    Diese berauschenden Worte, die so warm und so schmerzlich nah waren, ließen sie verstummen. Das Kissen drückte an ihre Wange, und der harte Boden tat ihr weh, doch alles war warm und sicher. Er blies die Laterne aus und zog sich leise aus dem Zelt zurück. Die wärmende Erinnerung an seine Finger strich ihr noch eine Zeit lang durchs Haar.
    Serwë hatte früh zu essen begonnen, da sie völlig ausgehungert war. Ein Topf Reis, dessen Deckel Kellhus mitunter öffnete, um Zwiebeln, Gewürze und Shigek-Pfeffer zuzugeben, kochte auf dem Feuer. Normalerweise kümmerte Esmenet sich um das Essen, doch Kellhus ließ sie aus der Chronik des Stoßzahns vorlesen, lachte, wenn sie gelegentlich patzte, und überschüttete sie im Übrigen mit Ermunterungen.
    Sie las die Lobgesänge, die alten Gesetze des Stoßzahns, von denen der Letzte Prophet im Traktat viele für ungültig erklärt hatte. Gemeinsam wunderten sie sich, dass Kinder gesteinigt werden sollten, wenn sie ihre Eltern geschlagen hatten, und dass der Bruder dessen hingerichtet werden sollte, der den Bruder eines anderen getötet

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