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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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die Stellung hielten, bekam Proyas einen Wutanfall und peitschte sein Pferd unter kreischenden Flüchen die Hänge hinunter.
    Cnaiür, Xinemus und die übrigen Adligen aus Conriya, die zu ihrem Trupp gehörten, jagten ihm bis zum Hauptquartier von Conphas nach, wo ihnen der Oberbefehlshaber der Nansur in seiner aufreizend gewandten Art erklärte, Coithus Saubon habe am Morgen des Vortags beschlossen, das Beste aus Proyas’ Abwesenheit zu machen. Die Tempelritter hätten, da es um das Land der Heiden ging, natürlich nicht zurückstehen können, und Gothyelk, Skaiyelt und ihre barbarischen Verwandten hätten Narren selbstverständlich nicht von Weisen zu unterscheiden vermocht.
    »Warum seid Ihr ihnen nicht entgegengetreten?«, hatte Proyas gerufen. »Warum habt Ihr nicht vernünftig mit ihnen geredet?«
    »Saubon war an Vernunft nicht interessiert«, erwiderte Conphas auf seine geschliffene Art, die immer leicht desinteressiert und unterfordert klang. »Anscheinend hat er auf eine lautere Stimme gehört.«
    »Auf die Stimme Gottes?«, fragte Proyas.
    Conphas lachte. »Ich wollte eigentlich sagen, er habe auf die Stimme der Gier gehört, aber die Stimme Gottes dürfte es auch tun. Er meinte, Euer Freund, der Prinz von Atrithau, habe eine Vision gehabt.« Bei diesen Worten sah er Cnaiür an.
    »Kellhus?«, rief Proyas. »Hat Kellhus ihm etwa gesagt, er soll marschieren?«
    »Das hat er jedenfalls behauptet«, gab Conphas in einem Ton zurück, als hätte er am liebsten ergänzt: Das ist der normale Irrsinn der Welt. Seine Augen freilich ließen an etwas ganz anderes denken.
    Dem folgte auf allen Seiten ein kurzes Zögern. Im Laufe der letzten Wochen hatte der Name des Dûnyain unter den Inrithi erhebliches Gewicht bekommen, als sei er ein Felsbrocken, den sie mit ausgestrecktem Arm hielten. Das konnte Cnaiür in ihren Mienen lesen, denn sie hatten den Blick von Bettlern, deren Kleidersaum mit Gold bestickt war. Er fragte sich, was wohl passierte, wenn der Felsbrocken zu schwer würde.
    Als Proyas den Dûnyain später im Lager von Xinemus zur Rede stellte, dachte Cnaiür bloß: Auch Kellhus macht also Fehler!
    »Was hast du da getan?«, fragte Proyas mit vor Wut zitternder Stimme.
    Serwë, Dinchases und sogar der quasselnde Hexenmeister und seine gewitzte Hure – sie alle saßen frappiert am Abendfeuer. Niemand redete so mit Kellhus. Niemand.
    Cnaiür hätte beinahe losgelacht.
    »Was soll ich Euch sagen?«, fragte der Dûnyain.
    »Ich will wissen, was passiert ist!«, rief Proyas.
    »Saubon kam zu uns in die Hügel«, sagte Achamian schnell, »als Ihr in Tusam…«
    »Ruhe!«, rief der Prinz, ohne den Ordensmann im Mindesten zu beachten. »Ich will wissen, Kellhus…«
    »Ihr habt mir nichts zu befehlen!«, donnerte der Dûnyain. Alle, selbst Cnaiür, zuckten zusammen, und zwar nicht nur aus Überraschung. Sein Ton hatte etwas… Übernatürliches gehabt.
    Kellhus war aufgesprungen und schien den Prinzen von Conriya drohend zu überragen, obwohl er eine Körperlänge entfernt war. Proyas trat wirklich einen Schritt zurück und sah aus, als habe er sich an eine unausgesprochene Vereinbarung zwischen ihnen beiden erinnert.
    »Ihr seid meinesgleichen, Proyas. Erdreistet Euch nicht, mehr zu sein.«
    Aus Cnaiürs Perspektive rahmten die ockerfarbenen Mauern und Türme der gedrungenen Festung Asgilioch Kopf und Schultern der beiden Männer. Kellhus, dessen gepflegter Bart und dessen langes Haar golden in der Abendsonne glänzten, war zwar einen Kopf größer als der dunkelhäutige Prinz von Conriya, doch beide strahlten gleich viel Würde und Macht aus. Proyas allerdings sah schon wieder zornig drein.
    »Ich erdreiste mich lediglich, Kellhus, an allen wichtigen Entscheidungen des Heiligen Kriegs beteiligt zu werden.«
    »Ich habe nichts entschieden. Das wisst Ihr doch. Ich habe Saubon nur gesagt…« Einen flüchtigen Moment lang ließ eine seltsame, fast wahnsinnige Verletzbarkeit seine Miene beben. Seine Lippen öffneten sich. Er schien durch den Prinzen von Conriya hindurchzusehen.
    »Was habt Ihr ihm gesagt?«
    Der Dûnyain fasste sein Gegenüber wieder ins Auge und straffte sich. Es schien irgendwie, als trete alles, was ihn ausmachte, zu einer spezifischen Aura zusammen, und als wäre er nun präsenter als alle anderen – so präsent, als seien die Übrigen im Vergleich zu ihm nur mehr Geister.
    Er spricht in Andeutungen, schärfte Cnaiür sich einmal mehr ein. Er führt Krieg gegen uns alle!
    »Ich habe ihm nur

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