Der Prophet des Teufels
zurückgekommen, als ihn sein Gewissen bedrückte. Alle Zeitungen berichteten groß darüber. Weißt du noch, Erik Jan Hanussen, wie du damals blitzartig die Stadt verlassen mußtest?«
»Ich weiß es«, entgegnet Hanussen dumpf. »Aber ich weiß noch etwas: daß sich mein eigenes Schicksal, so wie ich es sehe, erfüllen wird. Ganz bestimmt!«
»Warum fliehst du dann nicht? Verschwinde! Geh nach Frankreich, geh nach England!«
»Niemand kann seinem Schicksal entgehen. Begreifst du denn nicht? Ich bin so davon überzeugt, daß sich meine Ahnung erfüllen wird, daß sie sich erfüllen muß. Es gibt kein Entrinnen. Es ist fürchterlich.«
Eine Stunde später steht Hanussen auf der Straße. Er geht in ein Café und trinkt drei doppelte Schnäpse. Sie beschwichtigen seine Ahnung. Er weiß nicht, wann ihn sein Schicksal ereilt, vielleicht in Monaten, vielleicht in Jahren. Er trinkt einen vierten Schnaps. Der Alkohol wärmt ihn auf. Hanussen wird lustig.
Er läßt seinen Wagen stehen und fährt mit einem Taxi zu einem Blumengeschäft. Er bestellt ein sündteures Arrangement. Er lächelt über seine eigene Sentimentalität. Er hat einen merkwürdigen Tag heute. Ein Künstler hat eben seine Stimmungen. Und sie wechseln rasch. Er schreibt auf die Karte:
»Sorge dich nicht und komm zu mir zurück!«
Das Mädchen im Blumenladen sieht ihn dumm an, als er die Adresse angibt. 110 Mark für Orchideen, die im Rückgebäude einer kleinen Kohlenhandlung abgegeben werden!
Hanussen geht in seine Villa zurück. Er schickt seinen Chauffeur los, um seinen Wagen zu holen. Er sieht auf die Uhr. Es ist 15 Uhr. Von seinem Tode trennen ihn noch acht Stunden und zwei Minuten.
Aber das weiß der Hellseher Erik Jan Hanussen nicht.
Hanussen liegt auf dem Sofa und trinkt Mokka. Er hat seine schwarzen Lackschuhe ausgezogen und Pantoffeln angelegt. Er lächelt. Was würden wohl seine Verehrer sagen, wenn sie den immer eleganten, immer im Frack auftretenden Hellseher in Hausschuhen sehen würden? Gut, daß seine Gäste keine Hellseher sind, sonst wüßten sie, daß ihm jeweils nach zehn Minuten Fußmarsch die Füße schwellen.
Er klingelt Dzino.
»Was macht das Eheglück?« fragt er ironisch. »Wie geht es der Frau Gemahlin?«
»Danke, gut«, entgegnet Dzino kühl.
»Das ist doch eine merkwürdige Sache, wenn man verheiratet ist …«, fährt der Magier fort.
»Das finde ich gar nicht.«
»Doch«, erwidert Hanussen. »Man genießt, indem man auf die Genüsse verzichtet. Man schwört den Frauen ab, indem man eine Frau anbetet, nicht wahr, Dzino? Man treibt den Teufel mit dem Beelzebub aus. Und am Schluß merkt man, daß man sich vor der einen Frau mehr fürchten muß als vor den tausend anderen.«
»Sie haben heute Ihren großen Tag, Meister«, sagt Dzino. »Aber sparen Sie Ihre Witze für die Bühne. Die ziehen immer! Da lachen dann die Herren ihre Freundinnen an, während sie im Geiste bereits die Ausreden für zu Hause konstruieren.«
»Na, na, Dzino, nur nicht gleich so moralisch. Was ist heute noch los?«
»Um 17 Uhr kommt der Schneider.«
»Auch schon wieder! Der Schneider und der Zahnarzt und der Friseur noch, das ist die Plage des zwanzigsten Jahrhunderts. Und dann?«
»Die Gräfin Hellweg habe ich auf morgen vertröstet.«
»Sehr gut.«
»Direktor Rüstig läßt fragen, ob er noch mehr Montanaktien kaufen soll.«
»Soll er kaufen, der Dussel. Dazu braucht man kein Hellseher zu sein, Dzino. Die deutsche Wirtschaft wird über sich selbst hinauswachsen. Deutschland wird einen Aufschwung ohnegleichen nehmen.«
»Ist schon recht«, antwortet Dzino gleichgültig.
»Noch etwas?«
»Ja, eine Frau hat angerufen. Sie nannte nur ihren Vornamen: Hedi. Sie sagt, sie kennt Sie aus Wien. Sie sitzt irgendwo in der SA-Führung. Kennen Sie sie?«
»Ja. Verbinden Sie durch, wenn sie wieder anruft.«
»Und dann ist eine Premiere von Camilla Horn. Sie wollen doch, daß ich Sie immer darauf aufmerksam mache.«
»Gut, Dzino, danke.«
Sooft das ›blonde Gift‹ auf der Bühne steht, drückt sich Hanussen nach der Vorstellung in den Bühnenrestaurants herum, immer in der Hoffnung, Camilla Horn zu begegnen. In seinem Schreibtisch sind einige Dutzend Photos von ihr. Seltsam, er ist mit der Künstlerin nie näher zusammengekommen. Er traf sie gelegentlich auf Gesellschaften. Dann verwandelte sich seine übliche Aufgeblasenheit Frauen gegenüber, sein Draufgängertum in unbeholfene Schüchternheit.
Ach ja, die Hedi hat angerufen! Die gute
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