Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Protektor von Calderon

Der Protektor von Calderon

Titel: Der Protektor von Calderon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
Vom Netzwerk:
die Scheide und bot Tavi die Hand, um ihm aufzuhelfen. Der jüngere Mann starrte den älteren kurz finster an, dann schüttelte er den Kopf und ergriff die Hand. »Was war das für ein Griff?«, keuchte er. »Den habe ich noch nie gesehen.«
    »Ziemlich einfach«, erwiderte Araris. »Du hast allerdings genug für heute. Ich zeige ihn dir morgen, wenn du möchtest.«
    »Mir geht es bestens«, sagte Tavi. »Zeig ihn mir jetzt.«
    Araris legte den Kopf schief, schob die Lippen nachdenklich vor und grinste plötzlich. »Wie du möchtest. Trink ein wenig Wasser, und danach machen wir noch eine Runde. Wenn du einen klaren Kopf behältst, zeige ich dir den Griff und die Abwehr.«
    Tavi hob sein Schwert vom Deck auf, salutierte Araris und schob es in die Scheide. Dann ging er hinüber zum Wasserfass, neben dem Isana auf einem kleinen Klappstuhl saß. Er lächelte sie an, tauchte einen Holzbecher ins Wasser, leerte ihn und ließ einen zweiten folgen. In den beiden Tagen nach seiner Genesung von der Seekrankheit war die Farbe in sein Gesicht zurückgekehrt, und bei jeder Mahlzeit hatte er genug für zwei Leute gegessen, trotz der eher zweifelhaften Künste des Schiffskochs.
    Tavi und Araris trugen bei den Übungen keine Hemden, vor allem, damit nicht die gesamte Kleidung von Tavi in Fetzen geschnitten oder mit Blut befleckt wurde. Isana hatte es geflissentlich
vermieden, Araris anzustarren. Sie hätte niemals geglaubt, dass ein Mann seines Alters ohne Anwendung von Wasserkräften über einen so athletischen Körper verfügen konnte, aber er war bei weitem nicht so schlank wie Tavi mit seinen flachen, drahtigen Muskeln. Natürlich hatte er auf dem Wehrhof all die Jahre in der Schmiede gearbeitet, und einmal hatte sie ihn damals im Schein der ersterbenden Glut spät in der Nacht bei seinen Übungen gesehen, mit einer Eisenstange anstelle einer richtigen Waffe.
    Araris hatte wieder Selbstbewusstsein und Stärke gewonnen, er war nicht mehr der gebrochene Mann, der er nach Septimus’ Tod gewesen war. Ihn so zu sehen, freute Isana und sorgte gleichzeitig für eine gewisse Ablenkung. Ihre Fingerspitzen sehnten sich danach, diese Muskeln zu berühren. Entschlossen wandte sie sich stattdessen wieder ihrer Näharbeit zu und flickte eine von Kitais Hosen; hier hatten ihre Augen und Finger weniger Schwierigkeiten, sich anständig zu benehmen.
    »Soll ich die Wunde für dich schließen?«, fragte sie Tavi. »Für so eine kleine Sache brauche ich keine Wanne.«
    Tavi blickte sie an, und eine vielschichtige Wolke aus Emotionen umschwirrte ihn für einen Moment. Dann schüttelte er den Kopf und sperrte sie aus, bis Isana nichts mehr spüren konnte außer einer gewissen Unzufriedenheit. »Nein danke. Es blutet nicht mehr.« Die Worte hatten einen leicht scharfen Beiklang. Er sah sie schuldbewusst an, und dann erschien ein halb gezwungenes Lächeln auf seinem Gesicht. »Allerdings könnte ich eine Heilung für meinen angeschlagenen Stolz gebrauchen.«
    Ehren kam aus der Kajüte und sagte mit einem Wink Richtung Meer: »Ich fürchte, dafür gibt es nicht genug Wasser.«
    Tavi zog eine Augenbraue hoch. »Warum machst du nicht hin und wieder bei den Übungen mit, kleiner Mann?«
    Bescheiden hob Ehren die Hand. »Danke, nein. Am Ende weiß ich womöglich nicht mehr, an welchem Ende ich das Schwert halten soll. Es fällt mir nicht im Traum ein, den Unterricht für den Fortgeschrittenen aufzuhalten.« Er vollführte spöttisch einen
Fechtergruß und machte sich zum Heck des Schiffes auf, vermutlich um sich dort mit dem Kapitän zu unterhalten.
    »Ich kenne einen kleinen Giftzwerg, der irgendwann im Wasser landen wird«, rief Tavi ihm hinterher. Dann schüttelte er den Kopf, grinste und wandte sich wieder Araris zu. Zwischen den Stichen beobachtete Isana die beiden. Sie kannte sich mit dem Fechten nicht gut genug aus, um es genau verfolgen zu können, doch schien ihr, Tavi bewegte sich zwar langsamer, aber auch mit mehr Zuversicht. Sie spürte Zufriedenheit bei Araris, während sich der junge Mann gegen eine Abfolge von einem halben Dutzend rascher Hiebe verteidigte.
    Plötzlich rief Kitai von oben aus der Takelage: »Segel! Genau geradeaus!«
    Die Männer hielten in ihrer Arbeit inne. Unvermittelt lag Besorgnis in der Luft und strich über Isana hinweg wie eiskalte Spinnweben. Sofort brüllte Demos Befehle und stieg selbst nach oben, wo er sich flink wie ein Eichhörnchen durch die Takelage bewegte. Isana beobachtete, wie er das Krähennest

Weitere Kostenlose Bücher