Der Protektor von Calderon
konnte einen Mann besiegen, ohne ihm den Stolz zu nehmen. Wenn er nicht gestorben wäre, hätte er …« Araris versagte die Stimme. Er räusperte sich und fügte hinzu: »Alles wäre heute anders.«
»Wenn«, sagte Tavi. Das Wort hatte viel mehr Gewicht, als es hätte haben sollen - Verbitterung, Sehnsucht, Traurigkeit.
Araris starrte ins Wasser. »Er hat deine Mutter mehr geliebt als Luft und Licht. Durch die Heirat hat er sich dem eindeutigen Befehl seines Vaters widersetzt. Gaius hatte eine andere Vorstellung von einer angemessenen Gemahlin für ihn.«
»Meinst du …« Tavi räusperte sich. »Meinst du, er wäre … ein guter Vater geworden?«
»Er hätte dich geliebt«, meinte Araris, runzelte jedoch die Stirn. »Ansonsten …«
»Er wäre zu sehr damit beschäftigt gewesen, die Welt in einen besseren Ort zu verwandeln?«
Araris schwieg eine Weile. »Vielleicht«, antwortete er schließlich widerwillig. »Die großen Elementare wissen, welche Distanz zwischen ihm und seinem Vater herrschte. Nun gut, wer weiß das schon? Kinder können einen Mann verändern wie sonst nur wenige Dinge.«
Araris bot ihm eine Flasche an, und Tavi nahm sie. Wieder dieses lauwarme Wasser, doch würde er es diesmal wenigstens bei sich behalten.
»Hast du eigentlich schon darüber nachgedacht, was wir tun?«, fragte Araris.
Tavi runzelte die Stirn. »Natürlich.«
Araris schüttelte den Kopf. »Ich weiß, du hast es geplant. Du hast darüber nachgedacht, was wir tun und wie wir es tun. Du hast abgewägt, was es zu gewinnen und zu verlieren gibt. Aber ich frage mich, ob du dir Gedanken darüber gemacht hast, warum wir es tun?«
Tavi erfüllte plötzlich Unsicherheit, der im nächsten Moment Ärger folgte. Er schluckte beides mit Wasser hinunter. »Weil ich damit vielen Menschen das Leben rette.«
»Möglicherweise«, sagte Araris. »Aber … ich frage mich, ob du das Recht hast, diese Entscheidung zu treffen.«
»Ich würde mich an Gaius wenden«, meinte Tavi, »doch aus welchem Grund auch immer, er ist nicht zu erreichen. Ich habe es schon mit meiner Münze versucht. Ehren ebenfalls.«
»Du hast erzählt, du hättest ihn bereits nach einer diplomatischen Lösung gefragt«, sagte Araris, »die er jedoch rundweg abgelehnt hat.«
»Das war, ehe er über alle Einzelheiten im Bilde war.«
»Was dir das Recht gibt, einen Weg einzuschlagen, der so große Auswirkungen auf unser Reich haben könnte? Lassen wir einfach mal außer Acht, ob dein Handeln gesetzmäßig ist oder nicht; so oder so wird man das, was du versuchst, aus den verschiedensten Blickwinkeln betrachten, selbst, wenn deine Aktion erfolgreich ist.«
Tavi seufzte. »Du denkst, ich überschreite meine Befugnisse als Kursor.«
»Das denke ich nicht, das weiß ich«, erwiderte Araris. »Ich frage mich, ob du nicht auch die Befugnisse deines … neuen Rangs überschreitest.«
»Welchen Unterschied würde das bedeuten?«
»Dein Anspruch auf die damit verbundene Macht beruht auf Gesetzen und den Grundsätzen des Rechts«, sagte Araris leise und doch eindringlich. »Wenn du deine neue Rolle annimmst, indem du dabei gleich auf dieses Gesetz und die Grundsätze spuckst,
untergräbst du deinen Rang. Höhlst die moralischen Fundamente aus, auf denen eine Macht aufbauen sollte.«
Tavi hörte sich selbst lachen. »Ob du es nun glaubst oder nicht, darüber habe ich nachgedacht.«
Araris legte den Kopf schief und lauschte.
»Was ich von Nasaug erfahren habe und was sich dadurch an Gelegenheit bietet, ist eindeutig von außerordentlicher Wichtigkeit und würde Gaius’ Erwägungen erheblich beeinflussen - und zwar so weitgehend, dass er seine vorherige Entscheidung zurücknehmen würde. Einverstanden?«
Araris nickte.
Tavi wandte sich ihm zu. »Aber er ist nicht hier. Ich habe keine Ahnung, wo er steckt oder was er vorhat, doch im Rahmen dieser Krise ist er gewissermaßen handlungsunfähig. Für gewöhnlich würden wir uns in diesem Fall an den nächsten innerhalb der Befehlskette wenden - und diese Person würde die Entscheidung treffen.«
Araris brummte skeptisch. »Das ist ein … eher wackliges Fundament.«
Tavi grinste gequält. »Ich weiß«, sagte er leise. »Aber … wenn ich tatsächlich derjenige bin, der ich sein soll, obliegt mir eine Verantwortung für dieses Reich und sein Volk. Wenn ich nicht handele, landen wir in einem Albtraum.« Er legte Araris eine Hand auf die Schulter. »Du hast mich gefragt, wie ich mein Tun rechtfertigen kann. Aber die
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