Der Protektor von Calderon
»So lange wie möglich.« Er wandte sich der Leiche zu und durchsuchte schnell Taschen und einen kleinen Beutel am Gürtel. Alles, was er fand, legte er auf den Boden. Kopfschüttelnd berührte er den Boden mit den Fingerspitzen und murmelte vor sich hin. Die Erde zitterte, dann begann die Leiche darin zu versinken wie in sehr weichem Schlamm. Nach einer Minute war der Tote verschwunden, und es blieb nur ein ovaler Fleck kahler Erde.
Auf Bernards Anweisung hin halfen Amara und Gaius ihm, die Stelle mit Laub und Ästen zu bedecken, und nachdem sie fertig waren, besserte er hier und da noch aus, bis er zufrieden war. »Gut«, sagte er. »Ein Mann wie dieser könnte uns, wenn er unsere Spur entdeckt hat, durchaus eine Weile allein folgen. Selbst wenn die Streife seine Abwesenheit binnen einer Stunde bemerkt, wird
man sich vielleicht nichts dabei denken, falls er heute Abend nicht wieder auftaucht.«
Amara nickte. »Das ergibt Sinn. Was sollen wir jetzt tun?«
»Uns beeilen«, meinte Bernard. »Und zwar so sehr wir können. Ich kann unsere Fährte in den nächsten ein, vielleicht zwei Stunden verwischen. Je weiter wir gelangt sind, ehe wir wieder Spuren hinterlassen, desto länger brauchen sie, um unsere Fährte zu entdecken.«
»Der größte Teil des Weges liegt noch vor uns«, sagte Amara. »Ein paar Stunden - sogar ein ganzer Tag - werden nicht genügen. Die holen uns ein, lange bevor wir Kalare erreichen.«
»Bis nach Kalare müssen wir es nicht schaffen«, erwiderte Bernard. »Nur bis zum Sumpf. Dort wird uns niemand mehr verfolgen können.« Er blickte zu Gaius auf. »Wir sollten uns beeilen, Majestät.«
Gaius nickte ernst. »Ich schaffe das schon, Graf.«
Bernard wandte sich an Amara. »Ich muss hinten gehen, um die Spuren zu verwischen. Das wird einen Großteil meiner Aufmerksamkeit beanspruchen. Kannst du inzwischen die Richtung beibehalten?«
Amara schluckte. In der Woche, die sie nun unterwegs waren, hatte Bernard ihr beigebracht, wie man sich in diesem Gelände unbemerkt bewegte, auf dem Marsch und abends im Lager. Sie hätte nie geglaubt, wie schwierig es sein konnte, sich einfach nur in einer geraden Linie voranzubewegen, sobald man in jede Richtung meilenweit von Wald umgeben war. Überall sah es gleich aus. Die Sonne wurde oft vom Blätterdach verborgen, wenn man sie überhaupt am Himmel sehen konnte, und auf diese alte Regel, derzufolge die Westseite von Bäumen mit Moos bewachsen war, sollte man sich besser nicht verlassen.
Wie sich herausstellte, war einiges an Kenntnissen und nicht nur ein paar Elementarkräfte notwendig, um auf dem Land zu navigieren. Vermutlich hätte sie damit rechnen sollen. Die große Mehrheit der Aleraner lebte in Wehrhöfen draußen auf dem Land,
und nur wenige von ihnen besaßen solche Kräfte wie Bernard in auch nur einer Art des Elementarwirkens, geschweige denn zwei. Amara hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, wann immer sie konnte neue Fertigkeiten zu erwerben, was sie ihrer Kursorenausbildung zu verdanken hatte, aber bei diesem Unterricht wurde ihr nur zu deutlich bewusst, wie gering ihre Kenntnisse auf diesem Gebiet waren.
Allerdings blieb ihr keine andere Wahl. Sie waren zu dritt, und selbst wenn Gaius über die notwendigen Fähigkeiten verfügte - was sie bezweifelte -, hatte er schon genug Probleme damit, die Marschgeschwindigkeit zu halten.
»Ich hatte einen guten Lehrer«, sagte sie leise.
Bernard lächelte sie schwach an. »Gut. Du musst dir Orientierungspunkte suchen. Und wir sollten uns ein wenig weiter östlich halten.«
Amara holte tief Luft und erwiderte das Lächeln, wie sie hoffte, ohne dabei ihre Nervosität preiszugeben. Dann zog sie im Geiste eine Linie zwischen einem Baum hinter ihr und einem Baum in der Richtung, die sie einschlagen wollten, und ging los.
Im Laufe der nächsten Stunde kamen sie überraschend gut voran. Amara ging schneller, wann immer der Boden eben genug war. Zwar zeichnete sich bald auf Gaius’ Miene Unbehagen ab, und er schonte das eine Bein durch starkes Hinken, aber er konnte mithalten. Bernard folgte einige Schritte hinter ihnen, betrachtete stirnrunzelnd den Boden und schaute sich gelegentlich um.
Später waren sie nicht mehr so schnell, und das vor allem wegen Bernard, nicht des Ersten Fürsten wegen. Der Waldläufer hatte die Zähne zusammengebissen wie ein Mann, der eine unglaublich schwere Last trägt. Gaius bemerkte das, und er sah Amara fragend an.
Sie verzog das Gesicht, denn sie war genauso besorgt wie
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