Der Protektor von Calderon
Bernard. Er verbarg sie mit Holzkräften, was wieder dieses schwankende Licht erzeugte, während erneut eine Streife an ihnen vorbeizog und im Wald verschwand. Als der letzte Mann nicht mehr zu sehen war, murmelte sie: »Habe ich dir schon gesagt, wie anziehend du in den vergangenen Ta…«
Bernard bewegte sich plötzlich und legte ihr sanft die Hand auf den Mund. Er seufzte leise, aber warnend, und Amara verstummte. Der Wald säuselte, das Land raschelte im zarten Wind. Sie sah nichts und hörte nichts. Also blickte sie Bernard fragend an.
Er legte den Finger an die Lippen. Dann hob er mit leerem Blick den Bogen.
Amara starrte ihn an und wagte sich nicht zu bewegen.
Bernard sah auf den Boden hinter ihr, und sie bemerkte, wie sich sein Gesicht anspannte. Seine Lippen bewegten sich.
Plötzlich ging von ihm eine Erdwelle kreisförmig aus, nicht als heftiges Beben, sondern als einzelne Woge, als habe jemand hart mit einem Hammer auf den Boden gehauen.
Staub und altes Laub wurden aufgewirbelt. Keine zwanzig Fuß entfernt schlug der Farn gegen etwas Festes und doch Unsichtbares.
Im selben Augenblick zog Bernard den Bogen durch und schoss. Fast gleichzeitig hörte man ein hässliches Geräusch, als der Pfeil sein Ziel traf, und ein Mann in Leder und ebenfalls mit einem Bogen in der Hand erschien. Bernards dicker Pfeil mit der breiten Spitze ragte ihm schräg aus dem Rücken.
Bernard machte einen Satz, mit dem er den Abstand zu dem Mann fast vollständig überbrückte, und Amara sah, dass er den
Bogen fallen gelassen und stattdessen sein Jagdmesser gezogen hatte. Der andere Mann richtete sich auf und wollte sich umdrehen, doch ehe er schreien oder seine eigene Waffe zum Einsatz bringen konnte, saß Bernard auf seinem Rücken und drückte ihn zu Boden. Amara schaute zu, wie Bernard ihm brutal die Kehle aufschlitzte.
Bernard hielt den Mann fest und presste sein Gesicht in die Erde, bis der Kerl eine halbe Minute später den Kampf aufgab. Daraufhin richtete sich Bernard langsam auf und schaute in die Richtung, in der die anderen Männer der Streife verschwunden waren. Es verging eine weitere Minute, bis sich Bernard zu Amara umwandte, nickte und ihr einen Wink gab.
Amara drehte sich um. »Majestät?«
Gaius kam hinter ihr aus dem Wald. Er bewegte sich wieder müheloser als an den ersten Tagen der Reise, obwohl er sich noch immer auf den Stock stützte. Der Erste Fürst trat zu Bernard und betrachtete die Leiche. Mit dem Stockende tippte er an den mächtigen Bogen des Toten.
»Ein Ritter Flora«, sagte der Erste Fürst leise. »Wie du.«
»Ich bin nie Ritter gewesen, Majestät«, sagte Bernard. »Zenturio in einer Auxiliar-Kohorte.«
Gaius blickte ihn an. »Hm. Aber die Eignung hättest du gehabt.«
Bernard zuckte mit den Schultern. »Die Ritter in meiner Legion … wirkten doch alle sehr von sich eingenommen, Majestät. Mir war nicht danach zumute, meine ganze Zeit mit denen verbringen zu müssen.«
Amara ging zu ihrem Gemahl, ganz gefangen noch von dem Schock über das, was gerade geschehen war. Gewalt war ihr nicht neu, doch hatte sie lange nicht mehr gesehen, wie Bernard sie gegen einen anderen Menschen einsetzte. In seiner Vergangenheit war er, wie sie wusste, Soldat gewesen, doch aus irgendeinem Grund hatte sie sich nicht vorgestellt, dass er auf diese Weise töten konnte. Einen Moment lang erschien ihr sein leeres Geplapper
mit dem Ersten Fürsten unangemessen, doch nur, bis sie den Abscheu in seinen Augen entdeckte.
Sie berührte ihn am Ellbogen. »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie.
Er nickte, sagte aber kein Wort. Dann betrachtete er sein blutiges Messer, kniete sich hin und wischte es an der Kleidung des Mannes sauber.
Als er wieder aufstand, sagte er mit belegter Stimme: »Er hatte uns gehört. Oder uns irgendwie erspürt. Ich habe bemerkt, wie er genau dort stehen geblieben ist.«
Gaius verzog das Gesicht. »Du hattest keine andere Wahl. Selbst wenn er deinen Schleier nicht durchschaut hätte, wäre er umgekehrt und hätte unsere Spur gefunden.«
Bernard nickte. »Und wegen des Abstands, mit dem er sich hinter der Streife bewegte, hat er erwartet, uns zu erwischen, nachdem die anderen vorbei waren.« Er blickte auf und sah Amara eine Sekunde in die Augen. »Sie wissen, dass wir hier draußen sind und über Holzkräfte verfügen, wenn sie jemanden abgestellt haben, der uns auf diese Weise nachspürt.«
»Wie lange, bis sie sein Fehlen bemerken?«, fragte Amara.
Bernard holte tief Luft.
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