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Der Puls von Jandur

Der Puls von Jandur

Titel: Der Puls von Jandur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Lang
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haben«, sagte er und nahm Matteo den Becher wieder ab. Er klatschte zweimal und sofort schob sich ein Soldat durch den Vorhang.
    »Ihr wünscht, mein Lord?«, fragte er mit einer kleinen Verbeugung.
    »Bringen Sie Speisen für den jungen Herrn. Fleisch und Brot, damit er wieder zu Kräften kommt, und Früchte.«
    »Sehr wohl, mein Lord.« Der Mann verschwand eiligst nach draußen.
    Lord Nador schob einen Schemel heran und nahm vor Matteos Bett Platz.
    »Du kannst von Glück sagen, dass du noch am Leben bist«, meinte er und ein vorwurfsvoller Unterton schlich sich in seine Stimme. Oder war es Besorgnis?
    »Wie haben Sie uns gefunden?«, fragte Matteo. Er kreuzte die Beine im Schneidersitz vor dem Körper und zog die Leinendecke ein Stück höher. Wieder einmal sah er sich dem Lord nackt gegenüber. Das wurde richtig zur Gewohnheit.
    »Wir fanden den Kadaver des Schlangenläufers. Verdurstet. Das ist sehr ungewöhnlich, offenbar war er zu erschöpft, um zu fliegen. Da ahnte ich, dass ihr euch in der Nähe aufhalten würdet. Das Dorf Othyram ist die einzig mögliche Zufluchtsstätte in der Zhéra, wenngleich für Unerfahrene auch nicht die sicherste.« Er wies auf die unzähligen gelben Tupfen auf Matteos Armen. »Darsfliegen. Sie legen ihre Eier unter die Haut. Die Larven wachsen binnen kurzer Zeit heran und beginnen sich ihren Weg durch den Körper zu fressen. Zu den blutreichsten Stellen, Herz, Lungen, Eingeweide. Sogar bis ins Gehirn. Dabei scheiden sie ein Gift aus, das einen lähmt. Ohne Hilfe stirbt man rasch.«
    Matteo verzog das Gesicht. Larven, die sich durch den Körper fraßen. Konnte es Abscheulicheres geben?
    »Die Darsfliegen können ewig lang ohne Nahrung im Sand überleben, sie fallen in eine Art Totenstarre und erwachen, wenn sie Blut riechen. Das Öl der Mjahrpflanze ist eine wirkungsvolle Waffe, um sich die Fliegen vom Leibe zu halten. Wir haben stets Vorräte mit dabei. Und Gegengift. Das war schwierig, denn man muss es trinken und dazu warst du kaum fähig. Lev-Chi ritzte deine Haut mit einem Messer auf und holte die Larven heraus. Sie waren kurz davor zu schlüpfen, die meisten jedenfalls.«
    »Die meisten?« Matteo wurde speiübel. »Und der Rest?«
    Nador grinste. »Einige waren schon unterwegs.«
    »Oh Gott …«
    »Keine Sorge, das Gegengift hat sie getötet. Deine Wunden sind am Abheilen.« Schlagartig wurde er ernst. »Du hast dich verteidigt. Dich und die Squirra. Mit deinem Puls.«
    »Ich weiß nicht mehr …«, sagte Matteo langsam. Ja, sein Puls war aus seinem Bauch gezischt, aber was bedeutete verteidigt ?
    »Einer der Männer hat Verbrennungen am Arm. Er hat dich hochheben wollen, doch du hast dich gewehrt und ihn angegriffen. Und das, obwohl du so schwach warst. Erstaunlich.« Sein Blick schweifte ab. »Ich gehe davon aus, dass du es noch nicht willentlich steuern kannst. Dennoch … du bist bereits einen Schritt weiter als Khor. Das hätte ich nie für möglich gehalten.«
    Ein Lächeln begleitete die nächsten Worte. »Er tat sich entsetzlich schwer damit, seine Kräfte zur Entfaltung zu bringen. Er war so wütend, weil es ihm nicht gelang. Und natürlich wurde es dadurch noch schwieriger. Du bist …« Er brach ab und blickte Matteo an. Eine Träne rollte über seine Wange. Eine einzelne, grüne Träne. »Sie hat es dir gesagt, ja? Du weißt, wer du bist?«, fragte er gebrochen.
    Die Trauer überspülte Matteo wie eine Welle. So vieles strömte auf ihn ein. Die Liebe, die Lord Nador für seinen Sohn empfand, sein Schmerz über den Verlust, aber auch sein Zorn, dass er ihn nicht hatte retten können. All das konnte er fühlen, als gäbe es urplötzlich eine Verbindung zwischen ihnen. Er wollte sich in Nadors Arme werfen, ihm sagen, dass er nicht traurig sein solle, weil er ja hier war. Weil er lebte. Weil …
    Was für gestörte Gedanken! Dieser Mann war nicht sein Vater, er war noch nicht einmal sein Freund – er war ein gefährlicher Gegner.
    Matteo schnappte nach Luft. Er durfte das nicht an sich heranlassen, er musste sich abblocken. »Ich bin nicht Khor«, sagte er tonlos.
    »Nein …« Nador wischte die Träne fort. »Verzeih. Ich … Weshalb bist du vor mir geflohen, Matteo?«
    Matteo biss sich auf die Lippen und schüttelte sachte den Kopf. Jetzt hieß es vorsichtig sein. Wenn Nador herausfand, was er über ihn wusste, konnte ihn das in große Schwierigkeiten bringen. Und Lith in noch größere …
    Lord Nador lachte spöttisch auf. »Verstehe. Ihretwegen also. Wo wollte

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