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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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und in seinem Sinne darüber abzustimmen.
    Es ging um ein Abkommen mit den beiden Taxiunternehmen der Stadt. Erich Jensen wollte einen Fahrdienst organisieren und verbilligte Preise aushandeln, um die nicht motorisierte Dorfjugend an den Wochenenden sicher aus der Diskothek in Lohberg zurück in den vier Kilometer entfernten Ort zu bringen.
    Der letzte Bus nach Lohberg fuhr kurz nach fünf, zurück fuhr in der Nacht keiner mehr. Im Dorf gab es für die Jugend nicht die kleinste Abwechslung. Die nahe gelegene Kleinstadt bot auch nicht viele Möglichkeiten, es gab eine italienische Eisdiele, ein Kino und die Diskothek «da capo», in der sich die jungen Leute aus dem Dorf jeden Samstagabend beinahe komplett einfanden.
    Für Marlene Jensen wäre der Fahrdienst nicht notwendig gewesen. Ihr Taschengeld reichte, um eine Taxifahrt zum normalen Tarif zu bezahlen. Doch Erich Jensen hatte seiner Tochter für das komplette Wochenende Hausarrest erteilt, zusätzlich hatte er ihr Taschengeld konfisziert – wegen einer Sechs in Mathe.
    Die harte Maßnahme war bereits Mitte der Woche verhängt worden, und das nicht zum ersten Mal. Marlenehatte sich trotzdem mit ihrer Freundin verabredet. Sie ging davon aus, dass ihre Mutter sie nach Lohberg fahren, das beschlagnahmte Geld erstatten und ihren Mann bei seiner Rückkehr im Schlafzimmer beschäftigen würde, damit die Tochter sich unbemerkt wieder einschleichen konnte. So hatten sie es bisher immer gehalten. Erich Jensen hatte am Wochenende häufig Termine außer Haus, und in Erziehungsfragen stimmte seine Frau Maria nur selten mit ihm überein.
    Maria Jensen war eine geborene Lässler und das Nesthäkchen in ihrer Familie gewesen. Zwanzig Jahre nach ihrem Bruder Paul auf die Welt gekommen – als Ersatz für einen im Krieg gefallenen noch älteren Bruder   –, waren die Eltern für Maria wie Großvater und Großmutter, die sie hätschelten und verwöhnten. In Paul hatte sie einen jugendlichen Vater gefunden, der nur in Ausnahmefällen einschritt und ihr Grenzen setzte. Gerade als sie das kritische Alter erreichte, hatte Paul geheiratet, und seine Frau Antonia war genauso alt beziehungsweise jung wie seine Schwester. Maria war ohne nennenswerten Zwang und unsinnige Verbote aufgewachsen und gestand ihrer Tochter die gleiche Freiheit zu.
    Marlene saß bereits ausgehfertig auf ihrem Bett. Doch ehe Erich Jensen zu seinem Treffen mit Parteifreunden aufbrach, schloss er die Tür ihres Zimmers von außen ab und steckte den Schlüssel ein. Kurz nach ihm verließ auch Maria die Wohnung über der Apotheke am Marktplatz. Den lautstarken Protest ihrer eingeschlossenen Tochter glaubte sie nicht stundenlang ertragen zu können.
    Maria fuhr zum außerhalb des Dorfes gelegenen Lässler-Hof, um sich bei Bruder und Schwägerin wieder einmal bitterlich zu beschweren, dass Erich einfach kein Verständnis für die Bedürfnisse junger Menschen hatte. Wie erwartet stimmten Paul und Antonia mit ihr überein,der Sonntagnachmittag müsse auf jeden Fall zurückgenommen werden. Antonia wollte am nächsten Nachmittag vorbeikommen, beiläufig erwähnen, dass sie ihren Vater besuchen wolle. Ihm gehörte die Eisdiele in Lohberg. Dann wollte Antonia fragen, ob ihre Nichte Lust hätte, sie zu begleiten. Falls Erich protestierte, wollte Antonia ihm den Kopf zurechtsetzen. Doch dazu kam sie nicht mehr.
    Kaum war der Wagen ihrer Mutter außer Sichtweite, öffnete Marlene Jensen das Fenster ihres Zimmers. Darunter lag das Flachdach der Garage, an der Garage war eine Leiter fest montiert. Etwa zehn Minuten später erreichte Marlene die Landstraße Richtung Lohberg. Sie rechnete nicht damit, die vier Kilometer bis zur Stadt laufen zu müssen.
    Tatsächlich hielt schon kurz darauf ein heller Mercedes neben ihr. Im Wagen saßen ihre Cousine Annette Lässler und deren Freund Albert Kreßmann. Beide wollten – wie nicht anders zu erwarten – zum «da capo». Sie nahmen Marlene mit. Gegen halb neun trafen die drei jungen Leute in der Diskothek ein. Annette Lässler half mit zwanzig Mark aus, das reichte für ein paar Getränke, nicht für ein Taxi. Aber Albert Kreßmann war natürlich bereit, Marlene in der Nacht auch wieder zurückzufahren.
    Das hätte noch ein weiterer junger Mann aus dem Dorf liebend gerne getan, Dieter Kleu. Doch er wäre der Letzte gewesen, von dem Marlene sich hätte heimbringen lassen. Und das sagte sie ihm auch deutlich, als er ihr gleich zu Beginn des Abends das Angebot machte.
    Dieter Kleu wurde

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